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Wenn der Lohn nicht zum Leben reicht

8. Mai 2013

Hunderttausende Menschen arbeiten in Deutschland, können von ihrem Lohn aber nicht leben. Sie werden vom Staat mit monatlichen Zahlungen unterstützt. Ob hier Besserung in Sicht ist, sorgt nun erneut für Streit.

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Eine Reinigungskraft schiebt einen Wagen mit Putzutensilien (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Die Zahl der Menschen in Deutschland, die trotz eines Vollzeit- oder Teilzeitjobs auf staatliche Unterstützung (Hartz IV) angewiesen sind, ist leicht zurückgegangen. Im vergangenen Jahr bekamen 1,324 Millionen Menschen einen solchen Zuschuss, etwa 30.000 weniger als 2011.

"Wir werten das eigentlich als positiv", sagte Paul Ebsen, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA), am Mittwoch in Nürnberg.

Aufstocker, also Menschen, die trotz Arbeit auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, arbeiten vor allem im Handel, in der Gastronomie, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie als Leiharbeiter.

Staatliche Unterstützung trotz Lohn

Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuvor berichtet, es gebe mehr Menschen als früher, deren sozialversicherungspflichtiges Bruttoeinkommen über 800 Euro lag, zur Sicherung des Existenzminimus aber nicht ausreichte. Im vergangenen Jahr fielen 323.000 Menschen in diese Kategorie, 20.000 mehr als im Jahr 2009. Die Zeitung beruft sich dabei auf eine am Mittwoch bekannt gewordene Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

Löhne reichen oft nicht aus

Die Bundesanstalt für Arbeit teilt Aufstocker in drei Gruppen ein: Arbeiter mit einem Lohn von unter 400 Euro im Monat, einem Lohn zwischen 400 und 800 Euro und solche, die mehr als 800 Euro verdienen.

Den Angaben zufolge ist die Zahl der Menschen in der untersten Lohngruppe (bis 400 Euro) im vergangenen Jahr um 45.000 gesunken und in der mittleren Lohngruppe im Vergleich zu 2011 fast gleichgeblieben. Die Zahl der Aufstocker mit einem monatlichen Einkommen von mehr als 800 Euro ist dagegen gestiegen.

Bundesagentur ist zufrieden

Ein Sprecher der Bundesagentur sieht das trotzdem als positive Entwicklung, da viele Aufstocker eine Gehaltskategorie nach oben gestiegen seien. "Da haben viele einen Schritt nach vorne gemacht und inzwischen einen besser bezahlten Job."

Auch wenn der Arbeitslohn dieser Menschen nicht zum Leben reiche, biete ihnen die schlecht bezahlte Arbeit doch die Chance, in Zukunft mehr zu verdienen und dann nicht mehr auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein, so der Sprecher.

Auch Max Straubinger, Arbeitsmarktsprecher der Regierungspartei CSU, zeigte sich mit den neuen Zahlen zufrieden. "Es zeigt sich, dass die eingeleiteten Maßnahmen die erwarteten Früchte tragen."

Die Arbeitsmarktexpertin der Oppositionspartei SPD, Anette Kramme, sieht die neuen Zahlen dagegen als Beleg, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn notwendig sei. Kramme äußerte die Erwartung, dass die Zahl der Aufstocker mit einem Vollzeitjob wegen des "missbräuchlichen Einsatzes von Werkverträgen" noch weiter zunehmen werde.

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping (Foto: Clemens Bilan/dapd)
Die Linken-Vorsitzende Katja KippingBild: Clemens Bilan/dapd

"Subventionierung von Hungerlöhnen"

Linken-Chefin Katja Kipping kritisierte die Weigerung der schwarz-gelben Bundesregierung, schnell einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Die Zahl der Aufstocker bei Hartz IV zeige, dass immer mehr Unternehmen ihr Geschäftsmodell auf Niedriglöhnen und Minijobs aufbauten, erklärte Kipping in Berlin. "Die Subventionierung von Hungerlöhnen kostet die Steuerzahler jährlich Milliarden."

Im Jahr 2011 musste der Staat 10,7 Milliarden Euro für die Aufstockung von Einkommen ausgeben.

Claus Matecki vom Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) erklärte, die Zahlen müssten auch dem hartnäckigsten Mindestlohngegner die Einsicht abringen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro nötig sei, "damit die Löhne nicht ins Bodenlose fallen".

Diese Mindestlohnhöhe fordern auch SPD und Grüne, die Linke strebt zehn Euro die Stunde an. Union und FDP wollen allenfalls branchenspezifische, regionale Lohnuntergrenzen akzeptieren. Es gilt aber als wenig wahrscheinlich, dass Schwarz-Gelb noch in dieser Legislaturperiode konkrete Vorschläge vorlegt.

Die Bundesanstalt für Arbeit argumentiert dagegen: eine Alleinerziehende Mutter in Berlin müsse monatlich brutto mehr als 1900 Euro verdienen, um keinen Anspruch auf eine staatliche Aufstockung zu haben. Das Einkommen sei mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro nicht erreichbar.

bea/sti/kle (afp, dpa, epd)