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Schäden durch Sparpolitik

27. März 2013

Gesundheitsexperten schlagen Alarm: Harte Sparmaßnahmen infolge der Finanz- und Schuldenkrise haben in Europa die Zahl der Selbstmorde steigen lassen. Auch kehren Krankheiten zurück, die als längst verdrängt galten.

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Symbolbild Tablettensucht: Ein Jugendlicher liegt in seinem Bett, auf dem Nachtisch liegen Schlaftabletten (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Gesundheitsexperten haben den Politikern in Europa vorgeworfen, die Folgen der jüngsten Sparprogramme auf die Gesundheit ihrer Bürger zu leugnen. "Sparmaßnahmen haben die wirtschaftlichen Probleme nicht gelöst und sie haben große Gesundheitsprobleme entstehen lassen", fasst Martin McKee jüngste Studien zu dem Thema in der Fachzeitung "Lancet" zusammen. McKee ist Professor für Europäische Öffentliche Gesundheit an der Londoner Schule für Hygiene und Tropenmedizin. Die sich verschlechternde Gesundheit in der Bevölkerung sei nicht nur auf steigende Arbeitslosigkeit zurückzuführen, sondern auch auf das grobmaschiger werdende soziale Netz in den am härtesten von der Krise betroffenen EU-Staaten wie Griechenland, Portugal und Spanien. Menschen müssten aber die Hoffnung haben, dass die Regierung ihnen durch diese schwierige Zeit helfe, sagte McKee.

In Griechenland hat die Zahl der Selbstmorde 2011 laut McKee gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent zugenommen. Im vergangenen Jahr habe es zudem eine exponentielle Zunahme von HIV-Erkrankungen gegeben - unter anderem, weil Drogensüchtige nach der Streichung von Hilfsprogrammen wieder häufiger kontaminierte Spritzen untereinander teilen. Zudem habe es in Griechenland 2011 Ausbrüche von Malaria, Dengue-Fieber und dem West-Nil-Fieber gegeben, so der Wissenschaftler weiter.

Der Professor für Europäische Öffentliche Gesundheit, Martin McKee (Foto: picture-alliance/dpa)
Professor für Öffentliche Gesundheit: Martin McKeeBild: picture-alliance/dpa

Wie Taktiken der Tabakindustrie

"Das sind Krankheiten, die man normalerweise nicht mehr in Europa sieht", ergänzte der Generaldirektor von Ärzte ohne Grenzen, Willem de Jonge. Der Sprecher des Europäischen Büros der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Hans Kluge, rät daher von radikalen Gesundheitsreformen in einer Wirtschaftskrise ab. "Die Europäische Kommission ist per Abkommen dazu verpflichtet, die Auswirkungen ihrer Politik auf die Gesundheit zu prüfen", sagte McKee. Bislang sei dies bei den Sparprogrammen jedoch nicht geschehen. Er verglich das Verhalten der Kommission und der einzelnen EU-Staaten mit Verschleierungstaktiken der Tabak-Industrie.

McKee und seine Forscherkollegen stellten aber auch fest, dass nicht alle hoch verschuldeten Länder in eine Krise ihres Gesundheitssystems schlitterten. In Island sei die Zahl der Selbstmorde nicht gestiegen und die Gesundheit der Bevölkerung habe sich sogar verbessert. Dort hätten die Bürger in einem Referendum harte Einschnitte abgelehnt und weiter in staatliche Dienste investiert.

sti/nem (rtr, apd)