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Wenn einer eine Reise tut,

21. Mai 2010

Wer in den USA mit dem Flugzeug unterwegs ist, muss vor allem Geduld, Zeit und eine Kreditkarte mitbringen.

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Bild: DW
Christina Bergmann (Foto: dw)
Christina Bergmann

Berufsmäßig gehöre ich zwar nicht zu den Vielfliegern, bin aber doch regelmäßig mit dem Flugzeug unterwegs. In dieser Woche hieß die Aufgabe: Gelange von Washington, D.C., nach Sweetwater, Texas. Dort, genauer in dem Nachbarort Roscoe, hat nämlich der deutsche Energiereise E.ON den weltgrößten Land-Windpark gebaut. Von Washington nach Sweetwater sind es 2500 Kilometer und der Weg dorthin führt nach dem Frühstück zunächst zum Ronald-Reagan-Flughafen in der US-Hauptstadt.

Dort muss ich noch meinen Koffer einchecken – eine Bordkarte habe ich mir wie immer schon zuhause ausgedruckt. So trete ich ans Selbstbedienungs-Terminal, denn wie an der Tankstelle, im Supermarkt und zunehmend überall macht der Kunde auch am Flughafen fast alles selbst. Der blinkende Bildschirm teilt mir mit: Ein Koffer - macht 25 Dollar. Kreditkarte bitte. 2005, so war es kürzlich in einem Artikel der New York Times nachzulesen, fingen die Fluggesellschaften an, für den Transport von Gepäck Geld zu verlangen. Damals allerdings nur, wenn man mehr als einen Koffer mitnehmen wollte. Jetzt heißt es: Wer seine Hemden nicht unter den Vordersitz quetschen will, muss blechen.

Lukratives Koffergeld

Mein Handgepäck ist durch mein technisches Equipment immer schon ausgereizt, also komme ich um die zusätzliche Ausgabe nicht herum. 2,7 Milliarden Dollar haben die US-Fluggesellschaften im letzten Jahr allein an Gepäckgebühr eingenommen. Die Steigerung im letzten Quartal 2009 betrug nach Angaben des US-Verkehrsministeriums im Vergleich zum Vorjahr fast 50 Prozent.

Der Gang durch den Sicherheitscheck absolviere ich mit stoischer Gelassenheit. Laptop und Tüte mit Sprays und Cremes extra packen, Schuhe ausziehen (immer!), Sweatjacke über dem T-Shirt ebenfalls, auch das Halstuch wird abgeknotet. Mein kleiner Rollkoffer sorgt, wie so oft, für ein Stutzen beim Sicherheitsbeamten, der am Röntgengerät sitzt. Kein Wunder, beherbergt er neben vielen Kabeln, Aufnahmegerät und Mikrofon noch andere Elektronik. Da ist es eigentlich ein Wunder, dass nicht öfter das Gleiche passiert wie jetzt: Sprengstoff-Extra-Kontrolle. Ein anderer Beamter wischt mit einem kleinen Tuch durch die Fächer, macht alles auf, schaut noch einmal genau hin. Dann bin ich entlassen.

Warten auf…

Und gönne mir noch ein zweites Frühstück. So kann ich auf den Snack im Flugzeug verzichten, schließlich würde ich dafür wieder die Kreditkarte brauchen (3,35 Dollar für eine Packung Chips sind weder nahrhaft noch günstig). Umsonst ist nur das Glas Orangensaft. Der Flug nach Dallas selbst verläuft problemlos. Seit die Fluggesellschaften für Koffer Geld verlangen, sinkt übrigens die Zahl der fehlgeleiteten, vermissten oder beschädigten Gepäckstücke. Unter anderem, weil die Zahl der zu transportierenden Koffer insgesamt zurückgeht. Die Passagiere versuchen, so wenig wie möglich Koffer aufzugeben. Das hat die SITA herausgefunden, eine Firma, die sich auf IT-Lösungen für den Flugverkehr spezialisiert hat. Um 24 Prozent ist die Zahl der falsch behandelten Gepäckstücke von 2009 auf 2010 gefallen. Der türkisfarbene Koffer, der auf der Rollbahn in Dallas liegt, gehört also offensichtlich zu jenen sieben Prozent des misshandelten Gepäcks, bei dem beim Beladen etwas schiefgeht.

Schief ging dann auch der Anschlussflug von Dallas nach Abilene. Erst kam das Flugzeug zu spät in Dallas an, dann hieß es "technische Probleme": die Techniker seien an Bord, der Abflug verzögere sich weiter. Mein Laptop hat mittlerweile keinen Strom mehr, aufladen würde am schicken "Powerport" 4,50 Dollar kosten. An der dicken Litfaßsäule kann man auch einen Laptop ausleihen oder Drucken – gegen Gebühr versteht sich. Ich verzichte.

Botschafter mit Cowboyhut

Stattdessen plaudere ich lieber mit Bob, dem "Flughafenbotschafter". Der pensionierte Hypothekenvermittler mit dem weißen Vollbart sitzt hinter einem Informationsstand und hilft ratlosen Passagieren weiter. Die wollen, erklärt er, meist wissen, wie sie zu ihrem Gate kommen, zur Toilette oder wo es etwas zu Essen gibt. Die Soldaten, die von hier Richtung Irak oder Afghanistan fliegen, wollen vor allem noch einmal eine rauchen, sagt Bob. Dafür müssten sie dann vor die Tür gehen, denn in dem ganzen Flughafen in Dallas herrscht Rauchverbot.

Bob macht das freiwillig, einmal in der Woche für vier Stunden, wie die anderen 600 Botschafter auf dem Flughafen, die vor allem am Cowboyhut aus Stroh zu erkennen sind. Bob kennt übrigens auch Deutschland, seine Frau kommt aus Frankfurt.

Eine Stunde nach der geplanten Abflugzeit tut sich noch immer nichts. Eine Mitreisende erklärt: Es sei jetzt das dritte Mal, dass sie ihren Verwandten in Abilene besucht und jedes Mal müsse sie in Dallas warten, einmal waren es fünf Stunden. Fast jeder fünfte Flug ist in diesem Jahr in den USA mit Verspätung abgeflogen. Das ist besser als noch 2007 und 2008, als ein Viertel der Flüge Verspätung hatten. Aber angesichts der Tatsache, dass auch weniger Flugzeuge in der Luft sind als früher, immer noch keine berauschende Zahl.

Initiative ergreifen

So beschließen wir getreu dem Motto: "Bloß nicht nichts tun", auf den nächsten Flug nach Abilene umzubuchen. Und haben auf einmal zwei Bordkarten in der Hand. Ein etwas verwirrendes Gefühl, bis wir beschließen, auf den – vermeintlich, wie sich schnell herausstellen sollte – pünktlichen Flug zu setzen. In das Flugzeug kommen wir noch wie geplant, aber dann stehen wir kurz vor der Startbahn, und nichts geht mehr. "Hier blinkt ein Licht", spricht der Pilot, und ergänzte: "Wir wissen, dass das ein Fehlalarm ist, müssen aber trotzdem anhalten, geht aber gleich weiter."

Dann geht es doch los, wir sind nur 45 Minuten in der Luft – und stehen auf dem Rollfeld in Abilene noch einmal 15 Minuten herum: Unser eigentlicher Flug hat uns inzwischen eingeholt und offensichtlich Vorrang. Das Gute daran: unsere Koffer, die im anderen Flugzeug geblieben sind, erreichen nun sogar vor uns das Ziel. So kann ich mich auf die letzte Etappe der Reise machen, mit dem Mietwagen, 65 Kilometer, immer Richtung Westen. Dem Sonnenuntergang entgegen…

Autorin: Christina Bergmann

Redaktion: Dеnnis Stutе