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Wenn Milliardäre sich politisch engagieren

12. November 2003

Während Michail Chodorkowski in Haft bleibt, unterstützt der amerikanische Finanzmakler George Soros ungestraft die Abwahl von Präsident George Bush. Ein russisch-amerikanischer Systemvergleich von Miodrag Soric.

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Treffen sich ein Russe und ein Amerikaner, und beginnen darüber zu streiten, in welchem Land die politische Freiheit wohl größer sei. Sagt der Amerikaner: Er könne sich vor das Weiße Haus stellen und laut schreien, dass Präsident Reagan ein Dummkopf sei. Passieren würde anschließend nichts. Entgegnet der Russe: In Moskau sei es nicht viel anders. Auch er könne sich auf den Roten Platz stellen und schreien, dass Präsident Reagan ein Idiot sei. Auch ihm würde dann nichts passieren.

Zugegeben: Der Witz stammt noch auch sowjetischen Zeiten. In den 80er Jahren war die Zahl der Anekdoten über den Unterschied zwischen der UdSSR und den USA Legion. Doch die Zeiten scheinen nicht viel besser geworden zu sein. Zumindest gilt das für Russland. Da kritisiert ein russischer Milliardär Präsident Wladimir Putin, spendet ein paar Millionen für oppositionelle Parteien, Stiftungen und NGOs. Der Kremlchef fühlt sich derart bedroht, dass er den Ölbaron Michail Chodorkowski wie einen Schwerstkriminellen in Gefängnis werfen lässt, einen Teil des Vermögens beschlagnahmt oder sich zumindest die Kontrolle über die Milliarden sichert.

Aller Welt wird vor Augen geführt, auf welch schwachen Beinen die Macht von Präsident Putin steht. Wie anders will man sich dessen überzogene Reaktion erklären? Dabei ging Chodorkowski eher vorsichtig vor. Er sprach nur hinter vorgehaltener Hand von seinem Vorhaben, eine politische Alternative zu Putin aufbauen zu wollen. Wenn überhaupt, wäre Chodorkowski dem russischen Staatsoberhaupt im Jahre 2008 gefährlich geworden, nicht aber bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im März.

Anders geht der amerikanische Milliardär George Soros vor, marktschreierisch geradezu. Der amerikanische Präsident George W. Bush sei - Zitat - "eine Gefahr für die Welt" und müsse deshalb abgelöst werden, sagt er einer Washingtoner Zeitung. Er habe fünf Millionen Dollar für eine Kampagne gegen Bush gespendet. (Vor mehreren Monaten hatte Soros bereits das Doppelte für denselben Zweck investiert.) Die Abwahl des amtierenden amerikanischen Staatsoberhauptes sei das Hauptziel seines Lebens, verkündet Soros, dessen Vermögen auf sieben Milliarden Dollar geschätzt wird.

Bezeichnend ist die Reaktion, genauer: die Nicht-Reaktion des Weißen Hauses. Die Fernsehstationen bringen nicht einmal ein Achselzucken eines Präsidentensprechers. Die Haltung des amerikanischen Präsidenten ist klar: Soll Soros doch sein Geld ausgeben, wofür er will!

Geld, viel Geld um genau zu sein, spielt beim Wahlkampf in beiden Ländern eine wichtige Rolle. Böse Zungen behauten, dass es in den USA vor allem darauf ankomme, wieviel Millionen ein Präsidentschaftskandidat gesammelt habe, um seine Chancen realistisch einzuschätzen zu können. Bedroht fühlt sich Präsident Bush durch die Kampfansage des Milliardärs Soros indessen nicht. Nie käme ein amerikanischer Präsident wie sein russischer Amtskollege auf die Idee, seine schärfsten Kritiker ins Gefängnis zu werfen.

Amerika ist - bei allen Stärken und Schwächen dieses Landes - eine wirkliche Demokratie. Russland leider immer noch nicht. Kritik an der Macht, sei sie nun berechtigt oder nicht, gehört zur Demokratie. In Moskau haben das ein paar Ewiggestrige leider immer noch nicht verstanden. Dafür kritisieren sie, wie in dem eingangs zitierten Witz, umso lieber die USA.