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Eine Kirche für alle

27. Juli 2009

Christen und Muslime gelten in Nigeria als extrem verfeindet. Ganz anders ist das in einem staubigen Zirkuszelt in Lagos. Dort beten die Glaubensgemeinschaften gemeinsam. Doch die Kirche Oke-Tude hat viele Kritiker.

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Akeem Arogundade vor dem Zirkuszelt (Foto: Katrin Gänsler)
Von der Moschee ins Zirkuszelt: Akeem ArogundadeBild: DW

Aus dem gestreiften Zirkuszelt in Lagos erklingen frühmorgens Texte aus dem Koran. Immer wieder klappern Gebetsperlen. Doch an eine Moschee erinnert hier nichts. Männer und Frauen sitzen nebeneinander, keine der Frauen ist verschleiert, und niemand betet gen Mekka. Unter den frühen Besuchern ist auch Roseline Oboale. "Ich bin Christin", sagt die 28-Jährige ganz selbstverständlich. Doch seit drei Jahren kennt sie auch ein paar Textstellen aus dem Koran. Damals war sie auf der Suche nach einer Kirche - einer, mit deren Hilfe sind endlich schwanger wird. "Fünf lange Jahre musste ich warten, und jetzt habe ich zwei Kinder", erzählt die Nigerianerin stolz.

Pastor Saka und dessen Kirche Oke-Tude hätten das geschafft. Doch es ist nicht nur das persönliche Glück, das die Frau Woche für Woche ins Zirkuszelt zieht. "Hier gibt es keine Anfeindungen zwischen den ethnischen Gruppen. Und auch nicht zwischen den Religionen." Denn Samsindeen Saka mischt Christentum und Islam miteinander. Die Gottesdienste fangen mit Gebeten aus dem Koran an. In den Predigten stellt der Pastor anschließend das Christentum in den Mittelpunkt. Für den bulligen Mann, der die Kirche vor 20 Jahren von Gründer Tela Tella übernommen hat, ist das normal. Denn beide Religionen würde mehr einen als trennen.

Roseline Oboale (Foto: Katrin Gänsler)
Treue Kirchgängerin: Roseline OboaleBild: DW

Hexerei in der Moschee

Doch Saka selbst lässt sich an diesem Morgen Zeit mit seinem Auftritt. Daher wartet Akeem Arogundade geduldig. Der 41-Jährige ist schon seit zehn Jahren Mitglied von Oke-Tude. Auch ihn trieben anfangs persönliche Gründe in die Kirche. "Ich konnte meine Familie nicht ernähren." Doch die eigenen Probleme sind im Laufe der Jahre immer mehr in den Hintergrund getreten. Hier, so ist sich der Familienvater sicher, gehe es nicht um Religion, sondern um den Glauben an Gott, ganz gleich, ob jemand nun Christ oder Moslem sei. In eine Moschee hat er deshalb schon seit Jahren keinen Fuß mehr gesetzt. "Hexerei", nennt er das.

Jetzt genießt Arogundade den Gottesdienst mit Pastor Saka. Der ist in einer riesigen, schwarzen Limousine vorgefahren, lässt sich besingen und beklatschen. Als er endlich anfängt zu predigen, setzt er auf Gemeinsamkeiten. "Abraham ist Vater der Christen und auch Vater der Muslime." Die mittlerweile rund 1000 Gottesdienst-Besucher jubeln und Helfer verkaufen kleine Plastikflaschen mit rotem Hibiskussaft. Dieser symbolisiert das Blut Christi. Arogundade schaut sich die Flasche mit der dunkelroten Flüssigkeit an. "Du musst an Jesus glauben", sagt er halblaut. Ihren Glauben können seine Gemeidemitglieder auch mit Spenden beweisen. Und Saka treibt sie an, ordentlich zu spenden. Er verdient gut an seiner Kirche.

Christus ist der Sohn Gottes und nicht irgendein Prophet

Gläubige in der Kirche (Foto: Katrin Gänsler)
Kirche als lukratives GeschäftBild: DW

Das, was Saka seit Jahrzehnten praktiziert, sorgt in ganz Nigeria für Kopfschütteln, unter anderem bei Sabo Bako. Der Politikwissenschaftler ist Professor an der Traditionsuniversität Ahmadu Bello in Zaira im Norden Nigerias. "Christus ist im Islam nur ein Prophet, nicht aber der Sohn Gottes. Wie kann jemand das verbinden?" Ähnlich beurteilt es Pastor James Wuye, der sich als Mitbegründer des Interfaith Mediation Centre in Kaduna für den christlich-muslimischen Dialog stark macht. "Für uns ist Christus mehr als ein Prophet. Wenn ich diesen Weg verlasse, habe ich meinen Glauben verloren."

Saka stört diese Kritik nicht. "Der Koran sagt, dass man an die Propheten glauben soll. Also auch an Jesus", argumentiert er. Gleichzeitig weiß er, dass sich seine Kirche im bevölkerungsstärksten Land Afrikas bislang nicht durchgesetzt hat. Er geht von rund 10.000 Anhängern aus. Und bei geschätzten 140 Millionen Einwohnern ist das eine verschwindend geringe Zahl.

Autorin: Katrin Gänsler

Redaktion: Christine Harjes