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Wer will die Verantwortung?

Thomas Klein17. Oktober 2012

Deutschland verspielt einen 4:0-Vorsprung, das gab es in der 104-jährigen Länderspiel-Historie noch nie. Die etablierten Spieler drücken sich vor der Verantwortung und auch Joachim Löw macht keine gute Figur.

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Die deutschen Spieler waren nach dem Länderspiel gegen Schweden ratlos. (Foto: Getty Images)
Die deutschen Spieler waren nach dem Länderspiel gegen Schweden ratlosBild: Getty Images

Die Ratlosigkeit nach dem historischen Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden stand Spielern und Verantwortlichen sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben. Die Frage nach den Gründen konnte auch lange nach dem Spiel keiner richtig beantworten. Lehren wolle man aus dieser Partie ziehen und die begangenen Fehler schnellstmöglich beheben, so die übereinstimmenden Aussagen der Nationalspieler.

Eines ist jedoch sicher: Noch nie ist ein DFB-Team in dieser Weise und Geschwindigkeit vom Himmel in die Hölle gestürzt. Das hatte es in 867 Länderspielen seit 1908 so noch nicht gegeben. Und obwohl das Team von Bundestrainer Joachim Löw gegen Gruppengegner Irland begeisterte und auch die ersten 60 Minuten gegen Schweden traumhaften Fußball zelebrierte, werden die Zweifel immer größer, ob es für das erklärte Ziel reicht, Weltmeister 2014 zu werden.

"Alle sind schuld"

Nach dem Ausscheiden gegen Italien bei der Europameisterschaft im Sommer waren bereits erste Indizien zu erkennen, die nun immer offensichtlicher werden: Wer übernimmt Verantwortung, wenn ein Spiel mal nicht so läuft wie geplant? "Es hieß hinterher, alle sind schuld. Aber das ist das Problem. Das nennt man Verantwortungsdiffusion. Jeder denkt, der andere muss es machen. In so einer Situation muss die Initiative aber von einem Einzelnen ausgehen", sagt Sportpsychologe Henning Plessner. Teammanager Oliver Bierhoff mochte jedoch keinen einzelnen Führungsspieler an den Pranger stellen. "Es ist dann nicht nur ein Spieler gefragt", meint der ehemalige Stürmer. "Wir müssen einfach lernen, im Moment der Schwierigkeit ein System zu wahren. Bälle halten, die Mannschaftsteile wieder ordnen und Führungsstärke ausstrahlen."

Auch Doppeltorschütze Miroslav Klose (l.) konnte das Zusammenbrechen der DFB-Elf nicht verhindern. (Foto: dpa)
Auch Doppeltorschütze Miroslav Klose (l.) konnte das Zusammenbrechen der DFB-Elf nicht verhindernBild: picture-alliance/dpa

Löw überfordert

Doch offensichtlich fehlte den etablierten DFB-Spielern wie beispielsweise Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm oder auch Manuel Neuer der Mut, die eigenen Mitspieler zur Ordnung zu rufen. Hätte Sami Khedira mit seiner Kampfkraft und Körpersprache das Abwehr-Fiasko verhindern können? Doch der Mittelfeld-Star konnte verletzungsbedingt nicht mitspielen. Und auch Joachim Löw schien mit der Situation überfordert zu sein.

Denn statt mit einem erfahrenen Einwechselspieler den Versuch zu unternehmen, wieder etwas Struktur ins deutsche Spiel zu bekommen, wechselte Löw Mario Götze ein, der ohne Frage, ein brillanter Fußballer ist, aber keinerlei Führungsaufgaben übernehmen kann – zumindest noch nicht. Führungsspieler Bastian Schweinsteiger "hätte auf dem Platz möglicherweise mehr Verantwortung übernehmen müssen", sagt Psychologe Plessner.

"Zusammenbruch" verhindern

Die deutsche Mannschaft ist gut, sogar sehr gut. Sie ist gespickt mit Spielern der Extraklasse und so lange alles nach Plan verläuft, kann die Löw-Elf jeden Gegner beherrschen. Doch kommt es zu Ausnahmesituationen, zu unvorhersehbaren Ereignissen auf dem Platz, mangelt es dem Team an Kraft und Willen, die Widerstände zu überwinden. "Wir sind nicht in der Lage gewesen, den Stecker wieder reinzustecken", erklärte Bierhoff das Auseinanderbrechen der DFB-Elf.

Für den Bundestrainer wird es auf dem Weg zur WM 2014 in Brasilien jetzt darauf ankommen, die Balance zwischen einer stabilen Abwehrleistung und einer erfolgreichen Offensive zu finden und nach Lösungen zu suchen, die einen solchen "Zusammenbruch" verhindern. Möglicherweise braucht es dafür den oft zitierten verlängerten Arm des Trainers auf dem Platz, der für Stabilität innerhalb der Mannschaft sorgt und in kritischen Situationen auch mal Verantwortung übernehmen kann. Nur wurde der bisher noch nicht gesichtet.