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Wer braucht die SPD?

Monika Dittrich7. September 2007

Umfragen zufolge war die Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit noch nie so groß wie heute. Eine Chance für die SPD? Nicht wenn sie ihre Energien weiter auf die Selbstzerfleischung verschwendet, meint Monika Dittrich.

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Bild: DW
Monika Dittrich Fernschreiber

Ein Blick aufs deutsche Parteiensystem – und schon fragt man sich: Wer braucht eigentlich noch die Sozialdemokraten? Die Partei scheint immer überflüssiger zu werden. Einerseits sind da die beiden Unionsparteien CDU und CSU, die derzeit wie die besseren Sozialdemokraten daherkommen. Die CDU-Kanzlerin Angela Merkel propagiert Teilhabe am Wohlstand für jeden, und schon lange wildert ihre Partei mit einer modernen Familien-Politik und der neuen Liebe zum Umweltschutz im Revier der SPD.

Auch am linken Rand des Parteien-Spektrums wird es immer ungemütlicher für die Sozialdemokraten: Die PDS heißt jetzt Linkspartei und ist schon lange kein ostdeutsches Regional-Phänomen mehr. Sie etabliert sich als sozialistische Partei und verspricht Wohltaten für Rentner und Arbeitslose. Mit dem Scharfmacher Oskar Lafontaine an der Spitze raubt die Linkspartei der SPD nicht nur Wähler und Mitglieder, sondern auch das Selbstbewusstsein.

Seit Monaten dümpelt die SPD in den Umfragen bei etwa 25 Prozent. Und auch wenn die Partei-Führung so tut, als würde sie das nicht beeindrucken – die Nervosität ist trotzdem nicht zu übersehen. Die SPD wirkt wie ein geschlagener Hund, verzagt und kraftlos. Obendrein agiert ihr Vorsitzender, Kurt Beck, fahrig und völlig frei von Charme und Charisma.

Sozialdemokraten verpassen ihre Chance

Zur Selbstzerfleischung der Partei trägt auch der gehässige Flügel-Kampf bei. Die Linken fordern mehr soziales Profil mit einem klaren Bekenntnis zur Umverteilung von oben nach unten. Ihr Argument: Nur weil der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 die SPD auf Neoliberalismus und soziale Kälte getrimmt habe, liefen die Wähler rüber zur Linkspartei. Auf der anderen Seite stehen die Reformer in der SPD wie Finanzminister Peer Steinbrück oder der ehemalige Parteichef Matthias Platzeck. Sie verlangen Veränderungsbereitschaft und kritisieren die sozialstaatlich anerzogene Nehmer-Mentalität; ihrer Meinung nach sollte der Sozialstaat künftig weniger versorgen und mehr vorsorgen.

Mit diesen innerparteilichen Querelen verschwendet die SPD, leider, zu viel Kraft und so übersieht sie, dass dies eigentlich die Zeit der Sozialdemokratie sein könnte. Denn selten war in der deutschen Gesellschaft die Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit so groß wie jetzt. In einer aktuellen Umfrage geben 72 Prozent der Bürger an, dass die Bundesregierung nicht genug für die soziale Gerechtigkeit tue.

Neue Rezepte für soziale Gerechtigkeit

Die Herausforderung der Zukunft heißt also, wieder mehr soziale Mobilität zu ermöglichen. Für ein Land wie Deutschland ist es ein Skandal, dass Arbeiterkinder kaum Aussichten auf einen höheren Bildungsabschluss haben, dass für Hauptschüler die Karriere als Sozialleistungsempfänger geradezu vorgezeichnet ist und dass alleinerziehende Mütter in Armut fallen, weil sie keine Betreuung für ihre Kinder finden.

Mit den Sozialstaatsrezepten der sechziger und siebziger Jahre sind diese Herausforderungen sicher nicht zu bewältigen – da haben die Reformer in der SPD Recht. Ihre Idee des vorsorgenden Sozialstaats ist deshalb vernünftig. Die SPD muss allerdings aufpassen, dass ihr kluge Konzepte wie dieses nicht wieder von einer anderen Partei weggeschnappt werden. Sie sollte mit Mumm und Leidenschaft dafür eintreten, nur dann kann sie wieder Wähler und Mitglieder gewinnen. Denn sonst wird man sich bald ernsthaft fragen müssen, wer die Sozialdemokraten eigentlich noch braucht.