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Wer im Glashaus sitzt

Rolf Wenkel20. September 2002

Staatsinterventionen wie bei MobilCom eignen sich nicht für den Wahlkampf, meint Rolf Wenkel in seinem Kommentar. Denn sie werden – meist zwecklos – von SPD und Union gleichermaßen betrieben.

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Die Rettungsaktion der Bundesregierung beim norddeutschen Telefonkonzern MobilCom hätte eigentlich kurz vor der Wahl noch einmal eine ordnungspolitische Debatte auslösen müssen. Jeder weiß, dass Staatsbürgschaften für marode Unternehmen ein subventionspolitischer Sündenfall sind, Risiken für den Haushalt bergen und obendrein selten Erfolg haben. Ein durchsichtiges Manöver, um mit Steuergeldern Wählerstimmen zu mobilisieren, hätte die Opposition aufschreien können. Finanzminster Eichel und Wirtschaftsminister Müller nötigen öffentlich-rechtliche Banken, einem Telefonkonzern mit sechs Milliarden Euro Schulden noch einmal 400 Millionen Euro hinterher zu werfen - ein gefundenes Fressen für die Opposition, sollte man meinen.

Sündenfall

In der Tat hat der Kanzler wieder einmal eine ordnungspolitische Sünde begangen, und es ist nicht die erste. Fast jeder in Deutschland hat noch die Fernsehbilder vom November 1999 im Kopf, als der Kanzler mit dem Victory-Zeichen den Baukonzern Philipp Holzmann verließ und sich als Retter von tausenden von Arbeitsplätzen feiern ließ - er hatte die Kreditanstalt für Wiederaufbau genötigt, 150 Millionen Euro bereitzustellen, und der Bund hatte für weitere 100 Millionen eine Bürgschaft übernommen. Der Konzern ging trotzdem pleite, sang- und klanglos. Ein Beispiel dafür, dass Erhaltungssubventionen für marode Unternehmen hinausgeworfenes Geld sind, und sich der Retter oft zu Unrecht als Retter feiern lässt. Babcock-Borsig ist ein ähnliches Beispiel: Dort hat sich Nordrhein- Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement als Retter von Arbeitsplätzen versucht und ist kläglich an den privaten Banken gescheitert. Die können nämlich rechnen.

Trotzdem herrscht Ruhe vor der Wahl. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber vekneift sich sich die Gelegenheit, so kurz vor dem Sonntag noch mal ein Fass aufzumachen. Aus gutem Grund. Denn wer im Glashaus sitzt, der weiß in der Regel, warum er nicht mit Steinen wirft. Auch Politiker von CDU/CSU haben mit Millionen und Milliarden um sich geworfen und sich einen ordnungspolitischen Sündenfall nach dem anderen geleistet.

Kirch & Co

Als in Fürth die private Schmidtbank in Schieflage geriet, war es die Bayerische Landesbank, die an einer Auffanglösung bastelte. Jene Bank, in deren Aufsichtsrat das halbe Kabinett der bayerischen Landesregierung sitzt. Maxhütte, Fairchild- Dornier, Schneider Technologies - überall ist der Freistaat Bayern eingesprungen, die Heimat des Herausforderers. Ganz zu schweigen von den zwei Milliarden Euro, die die bayerische Landesbank dem Medienunternehmer Leo Kirch geliehen hat und die sie wohl nie wiedersehen wird.

Man sieht: Frei von Sünden wider die Marktwirtschaft ist keiner. Die Versuchung für Politiker, sich als Retter von Arbeitsplätzen darzustellen, ist allzu groß - unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Deshalb hat auch keiner das Recht, sich als Ankläger aufzuspielen – es wäre einfach unglaubwürdig. Und deshalb ist es auch so still geworden um dieses Thema - weil jeder Schuss unweigerlich nach hinten losgehen würde.