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Wer in einer Liste steht, der hat existiert

Christina Bergmann26. Februar 2009

Auf einer so genannten Residentenliste finden sich die Namen von 600 000 jüdischen Einwohnern, die von 1933 und 1945 in Deutschland gelebt haben. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hat sie in Washington übergeben.

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Bild des Holocaust Memorial Museum
Holocaust Memorial MuseumBild: picture-alliance/dpa

Kulturstaatsminister Neumann hatte die Residentenliste bereits im vergangenen Oktober im Rahmen einer Israelreise in der Gedenkstätte Jad Vaschem überreicht. Bei der Übergabe in Washington an das Holocaust Memorial Museum waren auch Holocaust-Überlebende und Nachfahren von Opfern anwesend. Die Grundidee der Initiative war es, deutschen Juden und ihren Nachfahren Versicherungspolicen auszuzahlen, die sie während ihres Aufenthalts in Deutschland abgeschlossen hatten. Jüdische Organisationen äußerten dann aber den Wunsch, aus dieser Liste potentieller Geldempfänger eine Aufstellung werden zu lassen, die Auskunft über alle jüdischen Residenten in Deutschland von 1933 bis 1945 gibt.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann zündet in Erinnerung an die Holocaust-Opfer eine Kerze an
Kulturstaatsminister Bernd Neumann zündet in Erinnerung an die Holocaust-Opfer eine Kerze anBild: U.S. Holocaust Memorial Museum/Catherine Copp

Hoffnung für Angehörige und Nachfahren

"Diese Residentenliste möge einen Beitrag dazu leisten, die Schicksale der ermordeten Juden dem namenlosen Grauen des Völkermords zu entreißen", sagte Kulturminister Neumann bei der Zeremonie in der Halle der Erinnerung, die an den Wänden die Namen der Konzentrationslager trägt. "Es ist unsere tiefe Hoffnung, den Opfern so einen Teil ihrer Würde zurückgeben zu können", fuhr er fort. Denn wer einen Namen hat, wer in einer Liste steht, der hat existiert. Das sagt auch David Helmut Neumann, dessen Familie bis 1935 in Nördlingen in Bayern gelebt hat und dann angesichts der Judenverfolgung zunächst nach Palästina ausgewandert war. Er lebt mittlerweile mit seiner Frau nördlich von Washington und erhofft sich selbst Aufschluss aus der Liste.

Hintergründe zu persönlichen Schicksalen

"Es sind zwei Großmütter, eine Tante und ein Onkel in Konzentrationslagern umgekommen, das wissen wir", erzählt David Helmut Neumann. Aber Einzelheiten wisse die Familie bisher nicht.

Die Liste enthält auch Informationen über das weitere Schicksal der Menschen: über ihre Emigration oder Inhaftierung, über den Ort und Zeitpunkt ihres Todes. Gearbeitet wird daran seit 2005, zunächst im Auftrag der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft".

Angaben aus den Archiven aller Bundesländer, Städte, Kreise und Gemeinden wurden ebenso zusammen getragen wie die Volkszählungsunterlagen zu jüdischen Bürgern von 1939. Auch ausländische Archive wurden befragt. Und die Arbeit geht weiter. "Diese Liste ist nicht vollendet, sie wird laufend durch das Bundesarchiv aktualisiert", so Minister Neumann. Er kündigte an, dass eine ständige Erschließung neuer Quellen und Rückmeldungen aus dem In- und Ausland erfolgen wird.

Feierliche Übergabe der Residentenliste in Washington
Feierliche Übergabe der Residentenliste in WashingtonBild: U.S. Holocaust Memorial Museum/Catherine Copp

Die Suche geht weiter

So dient die Übergabe der Liste an das Holocaust Museum gleichzeitig der wissenschaftlichen Erforschung und als Basis für Familienrecherchen. Neumann betonte, es sei sein tiefer Wunsch, dass die Liste vielen Familien dabei helfen kann, die verlorene Spur ihrer Verwandten wieder aufzunehmen.

Sara Bloomfield, Direktorin des Holocaust-Museums, erinnerte bei der Übergabe der Liste an die Doppelfunktion als Forschungs- und Erinnerungsstätte: "Die Objekte, die wir sammeln, die Dokumente und in diesem Fall die Namen, tragen nicht nur zum historischen Verständnis bei, sondern helfen auch, die Überlebenden und die Opfer des Holocaust zu ehren."