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Wer mehr verdient, zahlt auch mehr

4. Juni 2009

Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer, lautet ein gängiges Vorurteil. Das widerlegt das Institut der Deutschen Wirtschaft jetzt mit einer Studie.

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Mitarbeiterinnen der Trierer Tafel verteilen in Trier Lebensmittel an Bedürftige (Foto: dpa)
Immer mehr Menschen in Deutschland sind von Essensspenden abhängigBild: picture-alliance/ dpa

Der Vorwurf: Der Sozialstaat verteilt von unten nach oben, nimmt also von den Armen und gibt den Reichen. Ein Vorwurf, der mittlerweile nicht mehr nur von der politischen Linken erhoben wird, sondern der auch in der Gesellschaft weit verbreitet ist. Aber stimmt er auch? Nein, sagt das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) und belegt das mit einer Studie.

Umverteilung von oben nach unten funktioniert

Der deutsche Sozialstaat funktioniert und wird seinem Namen gerecht. Durch Steuern und Sozialversicherungen werden die Einkommen konsequent von oben nach unten verteilt. Zu diesem Ergebnis kommt die repräsentative IW-Studie.

Michael Hüther, Direktor Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Foto: dpa)
Michael Hüther widerspricht dem Vorwurf, es werde von unten nach oben verteilt (Archivbild)Bild: picture-alliance/ ZB

Der Vorwurf, es werde von unten nach oben verteilt, gehöre in die Mottenkiste, sagt IW-Direktor Michael Hüther. "Die zehn Prozent der Haushalte mit den höchsten Markteinkommen zahlten 2003 auch die höchsten Abgaben. Von den 10.155 Euro, die ein solcher Haushalt durchschnittlich am Markt verdiente, wurden im Schnitt gleich wieder mehr als 4400 Euro über Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen." Und mit 269 Euro pro Monat hätten diese Haushalte auch die niedrigsten Transfers bekommen.

Haushalte mit einem Gesamteinkommen von weniger als 1800 Euro beziehen der Studie zufolge 72 Prozent aller staatlichen Transfers. Zu den zu zahlenden Abgaben tragen sie hingegen nur gering bei. "Die untere Hälfte der Haushalte mit den niedrigeren Markteinkommen schultert gerade einmal zehn Prozent des Einkommenssteueraufkommens, die obere Hälfte trägt dagegen 90 Prozent. Allein das oberste Zehntel, also die Spitzenverdiener, trugen 2003 nach der Auswertung der Daten fast 38 Prozent der gesamten Einkommenssteuerlast", sagt Michael Hüther.

Einzelfälle bestätigen Vorurteile

Doch woher kommt dann die weitverbreitete Annahme, dass es den Reichen in Deutschland seit Jahren immer besser geht? Ist das tatsächlich nur politisch linke Propaganda und vor allem dem Wahljahr geschuldet?

Michael Hüther glaubt, dass sich die öffentliche Diskussion sehr schnell an Einzelschicksalen festmachen lässt. "Natürlich finden Sie auf der einen Seite denjenigen, der Steuern hinterzieht und offensichtlich Einkommensmilliardär ist - und genauso finden Sie den, der Sozialhilfe bezieht, aber auf einer Insel einem wunderbaren Leben nachgeht." Das aber seien keine validen Orientierungen für Wirtschaftspolitik. "Wirtschaftspolitik muss sich auf die Gesamtergebnisse beziehen."

Schere öffnet sich trotz allem immer weiter

Was die Daten des Statistischen Bundesamtes allerdings auch belegen, ist, dass sich die Schere zwischen den unteren und den oberen Einkommen in den Jahren von 1993 bis 2003 erheblich geöffnet hat. Erwirtschafteten die Haushalte mit den zweithöchsten Einkommen 1993 noch 19,5 mal so viel wie Haushalte der zweitniedrigsten Grup­pe verdienten, so wuchs der Abstand bis 2003 auf das 26,8-Fache. Das würden auch andere Studien wie beispielsweise von der OECD und vom IWF bestätigen, sagt Michael Hüther.

Diese Schere wird zwar durch die staatliche Umverteilung gemindert, so dass der Abstand zwischen den höchsten und den niedrigsten Nettoeinkommen seit 1993 sogar etwas abgenommen hat. Trotzdem gibt es in Deutschland nach wie vor ein erhebliches Wohlstandsgefälle. Jedes fünfte alleinerziehende Elternteil und jeder zweite Arbeitslose ist von Armut betroffen. Daher zieht das Institut der deutschen Wirtschaft aus der Studie den Schluss, dass die Förderung von Beschäftigung den größten Erfolg bei der Armutsbekämpfung haben dürfte. Angesichts der derzeit krisenbedingt steigenden Arbeitslosenzahlen dürfte das allerdings nicht so einfach sein.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Julia Elvers-Guyot