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Terror in Algerien

Peter Philipp11. Dezember 2007

Bei zwei Bombenanschlägen in der algerischen Hauptstadt sind über 50 Menschen getötet worden. Unter den Opfern sollen auch Mitarbeiter der UN sein. Über die möglichen Hintergründe Informationen von Peter Philipp.

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Bild: DW

Der Chefideologe von "Al Qaida", Ayman Al Zawahiri, veröffentlichte im Frühjahr eigens eine Botschaft, in der er die Bildung der "Al Qaida Organisation des Islamischen Maghreb" ausdrücklich begrüßte. Dieser Schritt werde der algerischen Regierung ernsthaft zu schaffen machen. Die graue Eminenz hinter Osama Bin Laden ließ dabei keinen Zweifel, dass er dasselbe Schicksal auch den anderen Staaten des Maghreb wünsche. Unklar ist, in wie weit Al Zawahiri und seinesgleichen Einfluss auf ihre nordafrikanische "Filiale" haben, denn auch diese dürfte nach bewährten Muster ohne zentrale Führung – und schon gar nicht durch Fernsteuerung aus dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet – operieren. Anschläge in Marokko, Tunesien und immer häufiger auch in Algerien haben ihren Ursprung vielmehr vor Ort selbst, die Täter profitieren aber von dem einprägsamen neuen "Firmennamen".

Ganz besonders in Algerien: Von hier gab und gibt es traditionelle Querverbindungen zur Qaida-Führung, denn algerische Islamisten – die so genannten "Salafisten" – gehörten mit ägyptischen Gleichgesinnten einst zum "harten Kern" der Truppe radikaler Gotteskrieger ("Mudschaheddin"), die es nach Afghanistan zog, um dort die gottlosen Sowjets zu bekämpfen. Nach dem sowjetischen Abzug Anfang 1989 gingen viele von ihnen in ihre Heimatländer zurück und versuchten dort, islamistische Regime an die Macht zu bringen. In Ägypten und Algerien begann eine Periode schwerer Terroranschläge und harter Gegenmaßnahmen des Staates.

Peter Philipp

Wahlannulierung 1992 ist Auslöser

In Algerien nahm dies ganz besonders drastische Formen an, als das Militär 1992 beschloss, Wahlen zu annullieren, aus denen islamistische Gruppen als Sieger hervorgegangen waren. Einige der Führer dieser Gruppen wurden verhaftet, andere flohen ins Exil, wieder andere gingen in den Untergrund und es begann ein blutiger Bürgerkrieg, der innerhalb von zehn Jahren über 150.000 Menschen das Leben kostete. Eine der gefährlichsten Gruppen, die hierbei blinden Terror ausübten, war die "GSPC" ("Salafistische Gruppe für Gebet und Kampf"). Einige hundert Mitglieder vermutlich nur noch, dafür aber zu allem entschlossen. Sie widersetzen sich jeder Aussöhnung.

"Nationale Aussöhnung" aber ist das erklärte Ziel von Abdel Aziz Bouteflika, seit 1999 algerischer Präsident. Vorsichtig und behutsam hat Bouteflika Restriktionen gelockert, hat Islamisten aus dem Gefängnis entlassen – wenn sie sich offiziell von ihrer bisherigen Linie abwendeten – und der Präsident ließ auch die Bevölkerung über eine Amnestie abstimmen. Mit der Folge, dass heute nicht selten ehemalige Täter und Opfer wieder als Nachbarn in denselben Stadtteilen wohnen. Hier weiss jeder natürlich vom anderen, aber man hält dennoch still, weil die breite Mehrheit der Algerier nicht zu den Tagen des Terrors zurückkehren will.

Ziele - der Staat und Ausländer

Die "GSPC" denkt und handelt anders: Sie hat jedes Amnestie-Angebot abgelehnt und zeigt sich weiterhin unversöhnlich gegenüber dem Regime. Und sie ist es auch, die in Algerien das Rückgrat der neuen "Al Qaida des Maghreb" darstellt. Seit der offiziellen Bekanntgabe dieser Neugründung häufen sich wieder Anschläge in Algerien, nachdem die Behörden in den letzten Jahren mit großer Regelmäßigkeit versichert hatten, man habe "eben gerade eine der letzten Terrorgruppen zerschlagen".

Ziele der Anschläge sind einmal staatliche Einrichtungen – wie das Innenministerium im September - oder algerische Politiker: Anschläge auf Präsident Bouteflika und auch auf Regierungschef Abdelaziz Belkhadem. Beide blieben unversehrt. Ein immer wichtigeres Ziel werden aber auch Ausländer in Algerien, je mehr das Land sich wieder öffnet. So wurden bereits französische, russische und amerikanische Experten angegriffen und der jüngste Anschlag auf das UN-Büro in Algiers scheint ähnliche Motive zu haben. Die Logik hinter diesen Anschlägen: Algerien soll wieder isoliert werden und die dann wachsende Not den Radikalen neuen Nachwuchs zutreiben. Deswegen rief Al Zawahiri bereits Anfang des Jahres dazu auf, Franzosen und Amerikaner aus Algerien zu vertreiben.