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"Wer von Menschenrechten spricht, darf Diktatoren nicht unterstützen"

4. Februar 2011
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Daniel Scheschkewitz (Foto: DW)
Bild: DW

Bei seinem Machtantritt vor fast drei Jahrzehnten hatte Präsident Hosni Mubarak angekündigt, den Ausnahmezustand in Ägypten aufzuheben und die Allmacht des Präsidenten einzuschränken. Es war ein leeres Versprechen. Mit dem ständigen Hinweis auf den latenten Krieg mit Islamisten im Land hat Mubarak über die Jahrzehnte hinweg seine Macht mit den Mitteln eines totalitären Apparats und westlicher Unterstützung zementiert. Gegner des Systems Mubarak wurden brutal zur Räson gerufen, gefoltert und sogar zu Tode geprügelt. Selbst die nach außen hin freien Präsidentschaftswahlen von 2005 waren nach allen demokratischen Spielregeln eine Farce.

Der Westen hat beide Augen zugedrückt und aus geostrategischen Gründen an einem Machthaber festgehalten, dessen Regime fröhlich in die eigenen Taschen gewirtschaftet hat, während die Masse der Bevölkerung zusehends verarmte.

Gerade das haben sich die Islamisten der Muslimbrüderschaft zunutze gemacht, sie füllen Lücken dort auf, wo der Staat seine soziale Fürsorgepflicht vernachlässigt hat. 30 Prozent der Bevölkerung gelten inzwischen als arm. Etwa die Hälfte der mehr als 80 Millionen Ägypter muss von weniger als zwei US-Dollar am Tage leben. Vor allem die Jugend empfindet eine zunehmende Perspektivlosigkeit - angesichts des fehlenden Zugangs zu Bildungseinrichtungen, zu Arbeit und ohne das Recht auf gesellschaftliche Mitbestimmung.

Auf diesem Nährboden gedeihen die Sympathien für radikale Islamisten, die mit Freiheitsrechten nichts im Sinn haben und von denen die Existenzberechtigung Israels grundsätzlich in Abrede gestellt wird. Das Fernsehen, Internet und das Web 2.0 haben die Erwartungshaltungen der Menschen verändert und die verkrusteten Strukturen aufbrechen helfen. Ob der Wandel gelingen kann, ohne dass Ägypten in Chaos und Blut versinkt, wird von großer Signalwirkung sein - weit über das Nil-Delta hinaus.

Die USA und Europa haben es zu lange versäumt, die Kräfte des Übergangs gezielt zu unterstützen und sich frühzeitig klar auf die Seite des Volkes zu stellen. Dabei kann es sich der Westen nicht länger leisten, die eigenen Freiheitsideale auf dem Altar geostrategischer Interessen zu opfern. Wer Menschenrechte im Munde führt, gleichzeitig aber Diktatoren im Sattel hält, verspielt nämlich nicht nur bei den Menschen im Nahen Osten jeden Kredit, er stärkt überall religiöse und andere Extremisten.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Kay-Alexander Scholz

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