1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wer war der erste Mann am Nordpol?

24. August 2009

So genau weiß man das bis heute nicht. Der Amerikaner Robert Peary will es am 6. April 1909, vor genau 100 Jahren, geschafft haben. Sein Landsmann, Frederick Cook, sogar schon ein Jahr zuvor.

https://p.dw.com/p/HRGx
Zwischen Peary und Cook tobte ein erbitterter Streit darum, wer als Erster den Nordpol erreichte
Zwischen Peary und Cook tobte ein erbitterter Streit darum, wer als Erster den Nordpol erreichteBild: picture-alliance / akg-images

"Mit Sicherheit ist keiner von beiden direkt am Pol gewesen", meint Dr. Reinhard Krause, Naturwissenschaftshistoriker am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Immerhin, schätzt Krause, sei Peary dem nördlichsten Punkt relativ nahe gekommen. Cook hingegen habe sich wohl auf das Meereis gewagt, den Pol aber nicht erreicht. "Er hat sich ja auch durch frühere Betrugsmanöver selbst diskreditiert". Der New Yorker Arzt, Sohn eines deutschen Einwanderers, hatte 1908 in einem Buch über seine angebliche Erstbesteigung des Mount McKinley, des höchsten Bergs Nordamerikas, ein gefälschtes Foto veröffentlicht.

Der Polarforscher Frederick Cook Frederick, Great Britain / Mono Print
Frederick Cook, erst gefeiert, dann verspottetBild: picture-alliance / KPA/TopFoto



Mein Freund, der Präsident

Robert Peary hatte schon zu Lebzeiten prominente Fürsprecher, bis hinauf zum damaligen Präsidenten der USA. Theodore Roosevelt schrieb in einem Vorwort zu Pearys Nordpol-Buch "Kommandeur Peary hat alle Bewohner der zivilisierten Welt zu seinen Schuldnern gemacht."

Doch auch hinter Pearys Berichten stehen dicke Fragezeichen. Die Geschwindigkeit, mit der Peary und seine Gefährten die letzten Etappen zum Pol und zurück angeblich zurücklegten, wurde bei späteren Expeditionen nicht einmal annähernd erreicht. Im Originaltagebuch fehlt zudem ein Eintrag für den 6. April 1909. Das auf diesen Tag datierte Blatt mit Pearys Zeilen ("Endlich der Pol. Der Preis dreier Jahrhunderte, mein Traum und Ziel seit 23 Jahren. Endlich mein.") wurde möglicherweise erst später hinzugefügt.

Schwierige Navigation

Robert Peary, undatiertes Bild
Robert Peary, Pionier oder Schwindler?Bild: AP


Und woher wusste Peary eigentlich, dass er 90 Grad Nord erreicht hatte? "Die Navigationsunterlagen, die ich gesehen habe, sind geradezu lächerlich", sagt Dr. Krause. "Es ist völlig unverständlich, wie man daraus schließen konnte, dass man am Pol war." Zudem, so der Experte, habe Peary seinen "besten Mann", Robert Bartlett, bei 86 Grad Nord nach Hause geschickt. "Bartlett war der einzige, der wusste, wie Sextant geschrieben wurde." Im Gegensatz zu Pearys schlampiger Navigation habe der Norweger Roald Amundsen 1911 am Südpol zwei Tage darauf verwandt, den Punkt genau einzumessen. "Das war vernünftig."

Der britische Polarforscher und Abenteurer Wally Herbert, der 1984 das bis dahin geheime Tagebuch Pearys einsehen durfte, kam aufgrund seiner Recherchen zu dem Schluss, dass Peary den Pol um etwa 100 Seemeilen, also 185 Kilometer verfehlt haben dürfte.

Reinhard Krause Wissenschaftshistoriker am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven
Naturwissenschaftshistoriker Reinhard KrauseBild: Stefan Nestler / DW

Also alles nur Lügengeschichten, Räuberpistolen? Dr. Krause nimmt die Polarpioniere ein wenig in Schutz. Die Navigation am Nordpol, so der Naturwissenschaftshistoriker, gestalte sich ohne die Hilfsmittel unserer Tage wie GPS extrem schwierig. "Es ist permanent hell, die Sonne steht sehr tief, Nebel verdeckt unter Umständen den Horizont, der Untergrund bewegt sich, der Kompass hat eine sehr große Missweisung. Diese Komplikationen führen dazu, dass man nicht ohne Weiteres sagen kann, dieser Punkt hier plus/minus 100 Meter ist der Nordpol."

Mehr Berufsabenteurer als Forscher

Dennoch: Peary und Cook strebten vor allem nach einem prestigeträchtigen Erfolg. Beide waren frühe Berufsabenteurer, die davon lebten, dass sie ihre Unternehmungen vermarkteten. Wissenschaftlich gesehen, sagt Dr. Reinhard Krause, sei es ihnen und auch späteren Nordpol-Abenteurern nur darum gegangen, das polare Becken zu erforschen, angetrieben von der "Vision, man würde im arktischen Ozean noch große, unentdeckte Landmassen finden. Das wäre natürlich eine ruhmreiche Angelegenheit gewesen."

Doch diese Landmassen gibt es in der Region um den Nordpol nicht. Davon konnten sich der Italiener Umberto Nobile, der amerikanische Millionär Lincoln Ellsworth und der Norweger Roald Amundsen am 12. Mai 1926 überzeugen, als sie im Luftschiff Norge über den Pol flogen. Es war die erste erfolgreiche Nordpol-Expedition, deren Ausgang nicht angezweifelt wurde.

Autor: Stefan Nestler

Redaktion: Judith Hartl