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Wertloser Sieg gegen Russland

Andreas Sten-Ziemons12. Juni 2013

Zum Abschied von der U21-EM verbucht der bereits ausgeschiedene deutsche Nachwuchs gegen Russland ein Erfolgserlebnis. Die Turnierbilanz fällt insgesamt aber mager aus. Nun beginnt die Fehlersuche.

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Spielszene mit Patrick Herrmann bei der Fußball-U21-Europameisterschaft zwischen Russland und Deutschland (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das abschließende Gruppenspiel bei der Europameisterschaft in Israel konnte die deutsche U21 mit 2:1 (1:1) für sich entscheiden. Patrick Herrmann (35. Minute) und Sebastian Rudy per Foulelfmeter (69.) erzielten die Tore für Deutschland. Der Führungstreffer der Russen war Alan Dsagojew gelungen (22.). Zum Abschied also doch noch ein Erfolg – unter dem Strich aber bleibt stehen: Deutschlands Fußball-Nachwuchs hat beim Turnier in Israel enttäuscht. Zwei zu schwache Auftritte gegen die Top-Mannschaften aus den Niederlanden (2:3) und aus Spanien (0:1), nur drei Punkte aus drei Partien, so reicht es nicht, um im Konzert der Großen ein Wort mitzureden. Den EM-Titel spielen nun Halbfinalisten Spanien, die Niederlande, Italien und die Überraschungsmannschaft Norwegen untereinander aus.

Lücken auf den Schlüsselpositionen

Umso mehr wird stattdessen zu Hause in Deutschland über das sang- und klanglose Ausscheiden der deutschen U21 diskutiert. So warnen Bundestrainer Joachim Löw und Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff nach dem EM-Aus der U21 und dem gleichzeitigen Scheitern der U19 in der EM-Qualifikation vor Selbstzufriedenheit bei der Talentförderung. "Überall im Ausland höre ich viel Positives über unsere Nachwuchsarbeit", sagte Bierhoff der "Sport Bild". Man darf aber jetzt nicht den Fehler machen, dass vermittelt wird, wir haben nun ein Paradies, es kommen ständig weitere Top-Talente nach. Das geht nicht automatisch."

Oliver Bierhoff, Team-Manager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, schaut sorgenvoll (Foto: Nicolas Armer/dpa)
Bierhoff: "Talente kommen nicht automatisch nach"Bild: picture-alliance/dpa

Löw und Bierhoff sehen in den jüngsten Rückschlägen vielmehr einen Anlass zum Nachdenken. "Es ist nicht so, dass wir im Jugendbereich alles überrollen", so Bierhoff. "Die U19 zum Beispiel hat sich seit dem EM-Titel-Gewinn 2008 nicht mehr für ein Turnier qualifiziert."

Bundestrainer Löw vermisst derweil deutsche Spieler auf den Schlüsselpositionen in der Bundesliga. "Man darf nicht so vermessen sein und sagen, Deutschland beherrscht jetzt den Welt-Fußball auf Jahre. Auf einigen Positionen sind wir hervorragend besetzt. Es gibt bei uns aber auch Positionen, auf denen ich nicht diese Vielzahl an herausragenden Spielern sehe. Daran muss man noch arbeiten." Besonders bei den Mittelstürmern und den Außenverteidigern sind herausragende Talente in den deutschen Nachwuchsteams Mangelware.

nach dem Spiel gegen Spanien bei der Fußball-U21-Europameisterschaft stehen die deutschen Spieler mit hängenden Köpfen auf dem Platz (Foto: dpa)
Deutschlands Fußball-Nachwuchs hat bei der EM in Israel kein gutes Bild abgegebenBild: picture-alliance/dpa

Adrion darf bleiben

Auch Deutschlands oberster Fußball-Funktionär äußert sich kritisch: "Wir haben jetzt zum vierten Mal innerhalb kürzester Zeit gegen die Niederlande verloren: zweimal die U17, jetzt die U19 und die U21", sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. "Das kann, darf und wird nicht der Anspruch des DFB sein." Erste Konsequenzen gibt es bereits: Das Nachwuchskonzept wird überarbeitet. Bis 2016 sollen zusätzlich 7,6 Millionen Euro an die Dritt- und Regionalligisten ausgeschüttet werden, die freiwillig ein Nachwuchs-Leistungszentrum betreiben.

Keine Konsequenzen hat das frühe Ausscheiden bei der EM für U21-Trainer Rainer Adrion. Der 59-Jährige, der mit der U21 nun bereits zum zweiten Mal in Folge vorzeitig scheiterte – 2011 schied man schon in der Qualifikation aus – darf seinen Posten behalten. "Ich stehe zu Rainer Adrion. Die Entscheidung ist klar gefallen, das war eine perspektivische Entscheidung, alle Trainerverträge um ein Jahr zu verlängern. Er macht weiter", wehrte Niersbach aufkommende Kritik an dem Coach ab. Allerdings wolle man die Gesamtsituation nach dem bitteren EM-Aus genau analysieren.

Trainer Rainer Adrion gestikuliert am Spielfeldrand (Foto: dpa)
Bleibt trotz Misserfolg: Rainer AdrionBild: picture-alliance/dpa

Freiwillige Schwächung

Vielleicht ergeben die Analysen ja, dass die gemeinsame Entscheidung Adrions und Löws, gleich auf mehrere A-Nationalspieler zu verzichten, die noch für die U21 spielberechtigt gewesen wären, eine falsche war. Stattdessen gingen Ilkay Gündogan, André Schürrle und Julian Draxler mit der A-Mannschaft auf US-Tour, die sportliche nahezu bedeutungslos war und ebenfalls nicht recht erfolgreich verlief.

Man muss kein Fußball-Experte sein, um sich auszumalen, dass die deutsche U21 verstärkt mit Gündogan, Schürrle und Draxler wahrscheinlich besser abgeschnitten hätte, als sie es jetzt getan hat. Vielleicht hätte man aber auch nicht so viel erwarten dürfen, wenn man seine stärksten Spieler ohne Not zu Hause lässt.