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Wettrennen auf dem Roten Platz

Christoph Wanner, Moskau27. Februar 2003

Der Euro ist in Russland auf dem Vormarsch. Vielerorts hat er den US-Dollar als Leitwährung bereits verdrängt – zur Freude von Händlern und zum Ärger vieler Verbraucher.

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Bild: AP

Als der Euro im Januar 2002 in Umlauf kam, waren viele Russen eher skeptisch, niemand wollte die europäische Gemeinschaftswährung so richtig haben. Zu stark war die Stellung des US-Dollars. Dieser war in Russland bisher die inoffizielle Leitwährung, weil der Rubel so schwach ist. In vielen Geschäften der russischen Hauptstadt wird deshalb auch nicht in Rubel ausgezeichnet. Das wäre zuviel Arbeit, da wegen der Inflation ständig die Preisschilder geändert werden müssten.

Verrechnungseinheit

Roter Platz in Moskau mit Mousoleum und Basilikum Kathedrale
Der Rote Platz in MoskauBild: AP

Die Russen haben sich darum die so genannte Verrechnungseinheit ausgedacht. Ein Beispiel: Eine Nobelboutique am Roten Platz; ein Damen-Blazer kostet dort 1.300 Verrechnungseinheiten. Das waren bis vor kurzem 1.300 US-Dollar. Momentan steht aber der Euro besser. Der neue Preis ist darum mittlerweile 1.300 Euro. Denn die einfache Regel lautet: eine Verrechnungseinheit ist stets die stärkere der beiden ausländischen Leitwährungen. An der Kasse wird dann in Rubel umgerechnet.

Der Euro ist aber nicht nur für das schnelle Geschäft gut, meint Wladimir Kurlenko von der Moskauer Almas Bank. Das beweise auch die Absicht der russischen Nationalbank, ihre Währungsreserven in Euro deutlich zu erhöhen. Auch an anderen Faktoren zeige sich, dass die europäische Gemeinschaftswährung in Russland auf dem Vormarsch sei. Der Handel mit Europa wächse und die Geschäfte würden meistens in Euro gemacht.

Sparstrümpfe

Euro in Frankreich
Bild: AP

Viele Russen füllen in jüngster Zeit ihre Sparstrümpfe mit Euro und nicht mehr ausschließlich mit Dollar. Rund 70 Milliarden Dollar haben die Menschen in Russland Schätzungen zufolge als Bargeld zu Hause gehortet. Das Vertrauen in den eigenen Rubel sei nicht groß, meint Kurlenko. Kaum einer habe die Finanzkrise vom August 1998 vergessen. Damals hatten sich die angesparten Rubel innerhalb nur weniger Wochen in wertloses Papier verwandelt.

Die steigende Euro-Nachfrage ist auch an den Moskauer Wechselstuben zu beobachten. Wer dort in Zukunft besser stehen wird, der Euro oder der US-Dollar, hängt stark von der Irak-Krise und vom Vertrauen der Investoren in die beiden Wirtschaftsregionen ab. Welcher Volkswirtschaft, so lautet die entscheidende Frage, trauen die Investoren mehr zu: der Euroland- oder der US-Wirtschaft?

Gewinne zählen

Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Dollar und Euro lässt die Händler in vielen Geschäften – auch in der Nobelboutique am Roten Platz - aber ziemlich kalt. Ihnen geht es um die Gewinne, wenn sie ihre Verrechnungseinheiten in Rubel wechseln. So erklärt sich, dass eine Verrechnungseinheit auch künftig immer der stärkeren ausländischen Währung entsprechen wird.