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Whodunit?

Konstantin Klein28. Juli 2003

“Whodunit” ist eine etwas aus der Mode gekommene Bezeichnung für den klassischen, manchmal etwas behäbigen Krimi. Im Washington der Gegenwart steht "Whodunit“ dagegen für politische Spurensuche.

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Wer war’s? Ganz Washington ist auf der Suche nach einem Täter - oder besser nach einem Unterlasser. Denn irgendjemand muss es ja gewesen sein, der dem Präsidenten nicht - oder nicht rechtzeitig - gesagt hat, dass Saddam Hussein möglicherweise doch nicht in Afrika Uran einkaufen wollte, wie Bush es in seiner Rede zur Lage der Nation im Januar behauptet hatte.

Nun ist die "State of the Union Address" die wichtigste Rede, die ein amerikanischer Präsident im Laufe eines Jahres zu halten hat; vor beiden Häusern des Kongresses legt der mächtigste Mann der Welt dar, wie er sich die nächsten 12 Monate politisch so vorstellt. Das ganze ist eine reichlich formelle Angelegenheit, und die schlimmste Kritik, die sich ein Präsident während dieser Rede gefallen lassen muss, ist, wenn ein politischer Gegner beim Applaus sitzen bleibt.

Alle waren verantwortlich - nur nicht der Chef

Inzwischen stellt sich aber mehr und mehr heraus, dass für die State of the Union - oder zumindest für die 16 Wörter über Saddams angeblichen Uran-Einkaufsbummel - so ziemlich jeder in Washington und anderswo verantwortlich war, nur nicht der Chef.

Zuerst musste der Direktor des Geheimdienstes CIA, George Tenet, sich dafür entschuldigen, dass seine Leute dem Weißen Haus verschwiegen hatten, dass der britische Geheimdienst in Sachen Saddam etwas geschludert hatte. Schade nur - aus der Sicht der Sündenbocksucher - dass die CIA doch gewarnt hatte und das auch, wenn auch verspätet, beweisen konnte. Jetzt war Steve Hadley, stellvertretender Sicherheitsberater im Weißen Haus, dran und musste mit zitternder Stimme zugeben, die Warnungen nicht weitergegeben zu haben.

Seit dem Wochenende gerät jemand ins Visier der allmählich aufwachenden US-Opposition, der sich bisher weniger mit Entschuldigungen als mit Schuldzuweisungen an andere hervorgetan hat: Condoleezza Rice, Nationale Sicherheitsberaterin, Karrierefrau und politische Vertraute des Präsidenten. Nationale Sicherheitsberater sind - laut Stellenplan des Weißen Hauses - dafür zuständig, dem jeweiligen Präsidenten die Welt zu erklären, und sie sind dafür verantwortlich, dass er sie versteht: die Welt.

"Blame Game"

Rice muss sich nun zunehmend Kritik dafür anhören, dass irgendjemand in ihrer Abteilung seine Hausaufgaben nicht mache. Eine ungenannte Quelle in Zentrum der Macht deutete sogar an, die schlampige Arbeiterin sei Dr. Rice selbst. Was bedenklich ist für Rice: Die Quelle will zwar ungenannt bleiben, sprach aber im Pressesaal des Weißen Hauses, also nicht wirklich im Schutze der Dunkelheit.

Bis auf weiteres wird das "Blame Game", das spielerische Verschieben der Verantwortung, wohl noch weitergehen. Die Republikaner werden versuchen, die Angelegenheit einschlafen zu lassen, die Demokraten hoffen darauf, die Sache bis zum Wahlkampf im nächsten Jahr am Kochen zu halten. Und vielleicht stellt dann auch mal jemand die Frage, warum die Redenschreiber des Präsidenten inzwischen nicht nur die ganze Arbeit machen, sondern ihrem Chef auch die politische Verantwortung abnehmen müssen.