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Wie aus Geckofüßen Hightech wird

9. Mai 2011

Warum können Insekten an Glasscheiben hochkrabbeln? Warum laufen Geckos an der Decke entlang? Diese erstaunliche Klebetechnik aus der Natur erforscht der Kieler Professor Stanislav Gorb.

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Die Füße eines Geckos (Foto: DW)
Intelligente Gecko-FüßeBild: DW

Die kleine Zentrifuge beginnt, sich langsam zu drehen. Der Marienkäfer krabbelt auf der Scheibe herum. Das Tempo nimmt zu. Der Käfer bewegt sich nicht mehr - er scheint zu kleben. Die Scheibe dreht sich noch schneller, mittlerweile sind es fast 2500 Umdrehungen pro Minute. Der Käfer klebt immer noch. Dann, bei 3000 Umdrehungen, ist die Grenze erreicht: Der Käfer fliegt ab. Dieses Käferkarussell ist eine Versuchsanordnung, bei der die Wissenschaftler die Kraft ermitteln, mit der ein Marienkäfer auf einer Oberfläche haften kann.

Insekten können fast überall kleben

Der gebürtige Ukrainer und Biologe, Professor Stanislav Gorb (Foto: DW)
Stanislav Gorb ist Experte für die natürliche KlebetechnikBild: DW

Marienkäfer sind nicht die einzigen Tiere, die sich scheinbar mühelos auf senkrechten, glatten Flächen halten können. Die meisten Insekten können das, doch fast jede Art hat dabei ihre eigene Technik entwickelt. Manche sondern Flüssigkeiten ab, andere Insektenfüße verbinden sich wie winzige Klettverschlüsse mit dem Untergrund. Manche haften nur an bestimmten Oberflächen, andere können überall kleben.

Diese Vielfalt von Haftmöglichkeiten untersucht der Kieler Professor Stanislav Gorb an Käfern, Spinnen und Heuschrecken. Seine Forschung dreht sich um die Hafteigenschaften von Oberflächen und wie man verschiedene Materialien aufgrund ihrer Oberflächenstruktur miteinander verbinden kann.

Ein Reptil überwindet die Schwerkraft

Fast jeder hat schon einen Gecko an Wänden und Decken herumlaufen sehen, vor allem in südlichen Breitengraden. Von weitem sieht der Gecko aus wie eine putzige Eidechse mit Saugnäpfen an den Füßen. Doch die Fußsohlen des Geckos bestehen aus Lamellen, an denen sich winzige Härchen befinden, die sich an ihren Enden nochmals in noch winzigere Härchen aufteilen. Es sind Milliarden Minihaare; jedes ist gerade mal 200 Nanometer dick. Die Härchen legen sich auf die Oberflächenstruktur - je glatter diese ist, desto besser. Außerdem wirken zusätzlich physikalische Kräfte mit, die sogenannten Van-der-Waals-Kräfte.

Zauberwort Bionik

Ein Adler im Flug (Foto: picture-alliance/dpa)
Wie fliegen Vögel? - Perfektion in der Natur für die TechnikBild: picture-alliance/dpa

Diese Mischung aus Biologie und Physik möchte sich der Mensch zu Eigen machen. Bionik heißt die Technologie der Zukunft. Je weiter die Wissenschaftler in winzige Nanobereiche vordringen, desto mehr erfahren sie über die Geheimnisse der Natur. Auch die Nanotechnik schreitet immer weiter fort - so wird auch der Nachbau der natürlichen Kleinststrukturen immer leichter.

Schon jetzt ist es Stanislav Gorb und seinen Kollegen gelungen, ein Klebeband zu entwickeln, das den Hafteigenschaften der Geckofüße nachempfunden ist. Es haftet an glatten Oberflächen und ist rückstandslos wieder abziehbar - millionenmal. Dieser Prototyp des Gecko-Tapes hält immerhin schon einen Hammer an einer Glasscheibe fest.

Wie man die Technik nutzen kann

An der technischen Universität im thüringischen Ilmenau wird das Tape bereits an kleinen Robotern getestet, die wie Kettenfahrzeuge mit Hilfe des Gecko-Tapes an glatten Flächen rauf und runterfahren. Ziel ist es, Kletterroboter zu entwickeln, die zukünftig Reinigungsarbeiten in Schächten oder an Fassaden durchführen können.

Die Erkenntnisse aus der Insektenforschung könnten auch für den Pflanzenschutz von Bedeutung sein: Indem man Pflanzen mit einem Mittel besprüht, das die Oberflächen der Blätter so verändert, dass die Klebkraft von Schädlingen außer Gefecht gesetzt wird.

Regentropfen auf einem Grashalm (Foto: picture-alliance/dpa)
Natürliche Haftung - Regentropfen auf einem GrashalmBild: picture-alliance/dpa

Kann bald auch ein Mensch an der Decke kleben?

Die Faszination, künstliche Strukturen nach dem Vorbild der Natur nachzubauen, treibt Forscher wie Stanislav Gorb an. Vielleicht wird es in Zukunft möglich sein, Regale an Wände zu kleben. Vielleicht wird es auch möglich sein, Autos oder Flugzeuge zusammen zu kleben. Und vielleicht können bald auch Menschen nach dem Vorbild von Spinnen, Käfern oder Geckos die Wände hochklettern. Doch bis man die Natur so genau verstanden hat, dass man sie kopieren kann - bis dahin muss noch viel geforscht werden.

Autorin: Silke Wünsch
Redaktion: Judith Hartl / Nicole Scherschun