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Politik

"Der Spiegel" und das böse bunte (Titel-)Bild

Marko Langer
4. Februar 2017

Der Mann hat keine Augen, aber ein blutiges Messer in der Hand. In der anderen Hand: der abgeschnittene Kopf der Freiheitsstatue. Der Mann soll Präsident Trump sein - als islamistischer Terrorist. Darf man den so zeigen?

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Titel DER SPIEGEL 06/2017 (DER SPIEGEL)
Bild: DER SPIEGEL/Edel Rodriguez

Die neueste Ausgabe des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" hat für mächtig Aufregung gesorgt, noch bevor das Heft an die Kioske kam. Die Darstellung von US-Präsident Donald Trump auf dem Cover als islamistischer Terrorist brachte speziell im Kurznachrichtendienst Twitter eine Diskussion in Gang, die an die Debatte über manches Titelbild der Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" oder auch der "Titanic" erinnert. Das Bild (siehe oben): Trump ohne Augen, also ohne Durch- oder gar Weitblick, dafür aber mit der Trophäe eines Schlächters in der Hand. Viele finden: Das geht gar nicht.

"German news magazine shocks ..."

Auch international wurde das deutsche Print-Erzeugnis zum Thema: Die Zeitung "The Washington Times" und das Nachrichtenportal "Buzzfeed" griffen den Vorgang sehr früh auf. Der englische Dienst der Deutschen Presse-Agentur (dpa) titelte: "Trump as terrorist: german news magazine shocks with graphic cover." Also: Schockierend. Doch der Reihe nach.

Die "Bild" fragt Graf Lambsdorff

Bezeichnend ist, dass hierzulande die "Bild"-Zeitung das Thema sehr früh entdeckte. Bezeichnend deshalb, weil die Boulevard-Zeitung auf der einen und "Der Spiegel" auf der anderen Seite nicht gerade ziemlich beste Freunde sind. "Darf man Trump mit ISIS-Schlächter Jihadi John vergleichen?" So die Frage der "Bild", die sich die Antwort vom FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff holte. "Der Titel spielt in ekliger Weise mit dem Leben von Terroropfern. Er sagt mehr über die 'Spiegel'-Redaktion aus als über Trump", zitiert das Blatt den Vizepräsident des Europäischen Parlaments.

Irak Syrien Terrorist IS-Mörder Dschihadi John
Der IS-Terrorist Dschihadi John Bild: picture-alliance/dpa

Dschihadi John? Das war, zur Erinnerung, der als Schlächter der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) bekanntgewordene Killer, der auf Propagandavideos Geiseln enthauptete. Das Symbol der Freiheit in den USA also als Gefangener des Mannes, der gerne von den "bad hombres" sprach, also den bösen Typen, die er nicht ins Land lassen will.

In der Inschrift der Freiheitsstatue sind ganz andere Töne zu lesen:

"Gebt mir Eure Müden, Eure Armen, Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren, die bemitleidenswerten Abgelehnten Eurer gedrängten Küsten. Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen, hoch halte ich mein Licht am goldenen Tor!"

Gut, mit Texten wie diesem aus dem Gedicht von Emma Lazarus lässt sich vielleicht kein Nachrichtenmagazin verkaufen. Und die virale Aufregung über das Cover könnte den Hamburger Blattmachern eher recht sein. Aber schnell hat sich das böse bunte Bild auch in den USA verbreitet. Das Nachrichtenportal "Buzzfeed" verwies darauf, dass der aus Kuba stammende Zeichner Edel Rodriguez bereits für das renommierte "Time"-Magazine Titelbilder geliefert hat, die kritisch mit Trump umgehen.

Screenshot Twitter - Edel Rodriguez
Screenshot der Twitter-Seite von Edel RodriguezBild: Twitter/Edel Rodriguez

Und wie die dpa und "Buzzfeed" machte auch "The Washington Times" schnell ein Interview mit dem Zeichner, der das Vorgehen Trumps als "Enthauptung" der Demokratie versteht. Und deshalb auch so gezeichnet hat.

In Deutschland gab es zunächst wenige bekannte Stimmen, die sich auf die Seite des "Spiegel" geschlagen haben. Eine der wenigen positiven Einschätzungen kam von der Hamburger Autorin Kathrin Weßling, die aber selbst für den "Spiegel" schreibt, möglicherweise also als parteiisch einzustufen ist.

Ohnehin sollte man, was allerdings schon Bundeskanzlern mitunter schwer fiel, das Hamburger Heft in Gänze zur Kenntnis nehmen. Vielleicht ist es am Ende nur eine Frage des guten oder schlechten Geschmacks. Zweifellos eleganter hat das Februar-Cover des Magazins "The New Yorker" die Sache mit Trump und der Freiheitsstatue gelöst. "Liberty's Flameout" ist in jedem Fall unblutig. Auf dem Titel.