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Wie ein Phönix aus der Asche

Insa Wrede24. April 2002

Vor rund 1600 Jahren brannte die legendäre Bibliothek in Alexandria zu Staub und Asche. Diesen Verlust für die zivilisierte Welt will man wieder gutmachen.

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Die neuen Bibliothek von Alexandria soll ein Tempel des Wissens werdenBild: AP

Jahrhunderte lang schien es, als wäre die Geschichte der legendären Bibliothek von Alexandria endgültig beendet. Bis sich vor zehn Jahren Vertreter verschiedener Regierungen und Organisationen zusammen setzten. Sie beschlossen mit Unterstützung der Unesco eine Neuauflage zu schreiben.

In diesem Jahr ist es soweit: Genau an der Stelle, an der einst das antike Vorbild gestanden hat, erhebt sich nun der kreisrunde Bau ihrer Nachfolgerin. Auch wenn man es dem futuristischen Gebäude nicht ansieht, orientiert sich die neue Bibliothek am antiken Muster.

Kopf und Herz der antiken Welt

Tempelkomplex in Karnak, Ägypten
Schon im alten Ägypten kannte man den Zusammenhang von Wissen und MachtBild: AP

Die antike Bibliothek von Alexandria war Kopf und Herz der damaligen Welt. Vor 2.300 Jahren baute Ptolemäus I, der sein Reich von Alexander dem Großen geerbt hatte, die berühmte Bibliothek im Land der Pharaonen.

In der Bibliothek sollten "Schriften aller Völker des Erdkreises" gesammelt werden. Bis zu 700.000 Manuskripte waren in den besten Zeiten der Bibliothek ordentlich katalogisiert und systematisch geordnet. Wer das Gebäude verließ fand sich mitten in einer lebendigen internationalen Stadt wieder, denn in Alexandria tauschten Kaufleute und Wissenschaftler aus der ganzen Welt Waren und Ideen aus.

Wiege der Wissenschaft

Große Männer wie Archimedes oder Hipparch gingen in der Bibliothek ein und aus. Sie kamen, weil sie hier ein ideales Forschungsumfeld vorfanden. Schnöde weltliche Sorgen wurden ihnen von den Schultern genommen. Sie erhielten ein Gehalt, Verpflegung und Unterkünfte und brauchten zudem keine Steuern zu bezahlen.

Buch von Qurran by Ibn al-Bawab ausgesttellt in der neuen Bibliothek in Alexandria
In Alexandria standen und entstanden BücherBild: AP

In diesem "Forscher-Paradies" verfasste Euklid sein Lehrbuch über Geometrie, über dem in den folgenden 2.300 Jahren unzählige Schüler brüten sollten. Galen schrieb hier seine Werke über Heilkunst und Anatomie, die die Medizin bis zur Renaissance beherrschten.

Damit nicht genug: Der Bestand an Büchern wuchs unablässig weiter. Die Bibliothek hatte das Recht von jedem Buch, das ins Land kam, handgeschriebene Kopien fertigen zu lassen. Außerdem wurden Bücher aus anderen Teilen der Welt gekauft.

Bücher-Verbrennung im Namen Gottes

Unantastbar war dieser Tempel des Wissens jedoch nicht. Die antike Bibliothek wurde in den 700 Jahren ihrer Geschichte mehrmals teilweise oder ganz zerstört. Zuletzt wurde sie das Opfer des christlichen Kaisers Theodosius I. Der wollte mit der Bibliothek die Quelle des heidnischen Glaubens ausmerzen.

Leider hatte er Erfolg und ein großer Teil des damaligen Wissens war unwiderruflich verloren. Von einigen der vernichteten Werke sind heute gerade einmal die Titel erhalten – andere sind für immer in Vergessenheit geraten.

Erbe verpflichtet

Besucherin mit Buch in der neuen Bibliothek von Alexandria
Erste Besucher bestaunen den Buchbestand der neuen BibliothekBild: AP

In diesem Monat wurde ein neues Kapitel in der Geschichte der Bibliothek aufgeschlagen. Der moderne Bau wirkt wie eine in einem Wasserpool steckende Frisbeescheibe. Sonnenstrahlen fallen durch das schräge Dach und wem die Augen vom Lesen ermüden, der kann sie über das naheliegende Meer schweifen lassen. Das futuristische Gebäude ließ man sich einiges kosten. Allein der Bau der Bibliothek verschlang 121 Millionen US-Dollar.

Geplant ist, in Alexandria die Geschichte zu wiederholen. Mit der Bibliothek soll ein Zentrum für Kultur, Wissenschaft und akademische Forschung zum Leben erweckt werden. Dafür wurden Bücher, Karten, Manuskripte, CDs und Videos im Wert von 51 Millionen US-Dollar angeschafft.

In den Regalen stehen Werke über antike und mittelalterliche Zivilisationen neben Werken über neuzeitliche Disziplinen. Außerdem will man – ganz wie in alten Zeiten - Forscher fördern, die sich mit dem historischen und zeitgenössischen kulturellen Erbe der Region beschäftigen. Jetzt fehlen eigentlich nur noch die Wissenschaftler und Leseratten, die hoffentlich aus aller Welt kommen werden.