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Wie erfüllt man Wahlversprechen?

29. Mai 2002

- Ungarns Wahlsieger müssen zeigen, wie sie das versprochene Programm finanzieren wollen

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Budapest, 29.5.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Andreas Gulya

Nach einem ungarischen Sprichwort lügt man nie so viel, wie nach einer Jagd, während einer Ehe und vor einer Wahl. Beide Blöcke, rechts und links, haben vor der Wahl kräftig getönt, wo und um wie viel man Gehälter, Zuschüsse und Zuwendungen im Fall des Wahlsiegs erhöhen wolle. Jetzt müssen MSZP (Ungarische Sozialistische Partei - MD) und SZDSZ (Bund Freier Demokraten - MD) zeigen, welche Versprechen sie finanzieren können - die Regierung ist dabei schon von ihren einstigen Versprechen in Billionenhöhe abgewichen. Die neue Summe von knapp 250 Milliarden Forint (ca. 1,03 Milliarden Euro - MD) gilt als finanzierbar.

Der künftige Ministerpräsident Péter Medgyessy hat während des Wahlkampfs größten Wert auf die Erfüllung eines sogenannten Hunderttageprogramms gelegt. Er findet aber ein Staatsbudget vor, das ihn zum Gefangenen seiner eigenen Versprechen macht. Es ist außer Frage, dass die finanzielle Ausgangslage der neuen Regierung nicht die Beste ist. Die EU warnte Ungarn bereits, da das Haushaltsdefizit bereits 4,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, im Gegensatz zum Vorjahreswert von 4,3 Prozent.

Die alte Regierung hat trotz der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums die Ausgaben stetig erhöht. Nach der Meinung von Wirtschaftsforschern wird das Defizit bis Ende des Jahres um bis zu 100 Milliarden Forint (ca. 411,07 Millionen Euro - MD) höher ausfallen als geplant. Auch das Finanzministerium hat seine Wachstumsprognose auf 3,5 bis 4 Prozent zurückgeschraubt, Experten gehen von 2,5 Prozent aus.

Allerdings wird auch bei der Inflation mit einer steigenden Rate gerechnet. Im April betrug sie 6,1 Prozent. Auf Jahresbasis rechnet man mit einem Wert um 5,5 Prozent. Hoffnung gibt die Tatsache, dass die Staatseinnahmen nach wie vor planmäßig sprudeln. Nach dem Dafürhalten der Experten rechnet man mit keinen Steuer- und Abgabenausfällen. Vor dieser Ausgangslage muss also das Hunderttageprogramm finanziert werden.

Vor den Wahlen hat die MSZP, rechnet man die Kosten aller Einzelposten zusammen, ein Versprechen über 1,14 Billionen Ft. (ca. 4,16 Milliarden Euro - MD) abgegeben. Dies weicht drastisch vom Hunderttageprogramm ab, denn dieses beinhaltet unter anderem eine stufenweise Steuersatzermäßigung von 20 und 30 auf 13 und 25 Prozent, die auf eine längere Periode verteilt werden sollten. Bei der Steuersenkung entfallen dem Fiskus 133 Mrd. Ft. (ca. 546,7 Millionen Euro - MD). Der größte Posten ist der Wegfall der einzelnen Gesundheitsabgaben sowie der Bau von 800 Kilometer Autobahn mit je 200 Mrd. Ft. (ca. 822,2 Millionen Euro - MD). Die Maßnahmen, die zuerst ergriffen werden sollen, beziehen sich in erster Linie auf Gehalts- und Rentenerhöhungen sowie die Anhebung des Kindergelds. Die Lehrer und Angestellten im Gesundheitswesen können sich auf eine Gehaltserhöhung um 50 Prozent freuen, was 20 (ca. 82,2 Millionen Euro - MD) bis 40 Mrd. (ca. 164,4 Millionen Euro - MD) kostet. Zum Schulbeginn sollen die Familien sofort zwei Monatssätze Kindergeld für 22,5 Mrd. (ca. 92,4 Millionen Euro - MD) bekommen. Des weiteren ist vorgesehen, dass Familienzuschüsse um weitere 20 Prozent erhöht werden, diese belasten das Budget dann um weitere 20 Mrd. Die Witwenrente soll um 50 Prozent angehoben werden, dies macht 82 Mrd. Ft. (ca. 337,2 Millionen Euro- MD) aus. Den Rentnern sollen allgemein noch weitere 52 Mrd. (ca. 213,8 Millionen Euro - MD) zugute kommen. Auch an die Studenten wird gedacht. Die Stipendien werden um 30 Prozent erhöht, dies bedeutet eine Mehrausgabe von 6,3 Prozent.

Wenn man alles addiert, kommt man auf einen Betrag von 200 (ca. 822,2 Millionen Euro - MD) bis 250 Mrd. Ft. (ca. 1,02 Milliarden Euro - MD). Nach der Meinung von Experten und künftigen Regierungsmitgliedern ist dieser Betrag zu finanzieren. Medgyessy äußert sich zu der Thematik etwas differenzierter. Seiner Meinung nach kann sogar das Budgetdefizit höher als 4,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausfallen. Aber die Renten- und Gehaltserhöhungen werden auf jeden Fall umgesetzt, auch dann, wenn diese Beträge durch Kreditaufnahmen finanziert werden müssten, bekräftigte er der Financial Times gegenüber.

Trotz dieser schlechteren Prognose, führte Medgessy aus, würden die Aufwendungen erhöht, da sonst das Gesundheitssystem zusammenbrechen würde - und die Lehrer würden reihenweise kündigen. In EU-Kreisen stößt die Auflockerung der bisher strengen Budgetdisziplin auf wenig Gegenliebe. Medgyessy ist aber zuversichtlich. Seiner Meinung nach kann auch im nächsten Jahr mit weiteren Erhöhungen der staatlichen Zuschüsse gerechnet werden. Seine Regierung habe bereits Pläne ausgearbeitet, durch die die Auslandsinvestitionen erhöht werden könnten. (fp)