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Wie im Film

Konstantin Klein, Washington24. Oktober 2002

Es ist nur zu real, und doch wie Kino – oder besser: wie im TV. Das liegt daran, dass sich das Drama um den Scharfschützen von Washington vor allem im Fernsehen abspielt, schreibt DW-TV-Korrespondent Konstantin Klein.

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Eine sehr erfolgreiche Krimiserie des US-Fernsehens geht in diesem Herbst in die zweite Saison: "24" (in Worten: "Twenty-Four") zeichnete sich durch die innovative Idee aus, die Ereignisse eines einzigen Tages in 24 Folgen von jeweils einer Stunde Länge darzustellen – ein Krimi in Realzeit sozusagen.

Krimi live

Einen solchen Krimi erleben die Bewohner des Großraums Washington und des ganzen Landes zur Zeit live – nicht nur 24 Stunden lang, sondern mehr als drei Wochen, nicht nur auf einem Kanal, sondern auf allen, die überhaupt Nachrichten bringen, nicht mit prominenten Schauspielern besetzt, sondern mit dreizehn unschuldigen Opfern und einem oder mehreren echten Serienmördern.

Einen Helden hat die Geschichte auch – genaugenommen sogar sehr viele: lokale Polizeibeamte arbeiten mit dem FBI und mit den Kollegen aus anderen Bezirken zusammen, von Washington, DC bis zum Staat Washington, 2500 Meilen entfernt.

Polizeischef als Medienliebling

Weil aber viele Helden nur verwirren, konzentrieren sich die Kameras auf Charles Moose, den Polizeichef des Bezirks Montgomery County, wo die ersten Schüsse der Serie fielen. Moose wäre vor zwanzig Jahren mit dem Hollywood-Star Sydney Poitier besetzt worden; angespannt, grimmig führt er über die Medien einen Nervenkrieg mit dem oder den Verdächtigen – und die Medien lieben ihn dafür.

Es gibt jedoch Unterschiede zwischen "24" und dem "Sniper on the Loose" (Scharfschütze auf freiem Fuß): die Morde sind nur zu echt, und obwohl die eigentlichen Hauptpersonen 24 Stunden am Tag im Einsatz sind, spielt sich das meiste eben nicht vor laufender Kamera ab.

Experten, Zeugen, Psychologen

Und deshalb – Sendezeit muß schließlich gefüllt werden – haben ehemalige FBI-Agenten ebenso das Wort wie Zeugen, die nichts gesehen haben, ehemalige Geschäftspartner, denen der Hauptverdächtige noch 500 Dollar schuldet, und Psychologen mit dem Spezialgebiet Ferndiagnose – und zwischendurch finden die Reporter, Moderatoren und Kommentatoren sogar noch Zeit, laut darüber nachzudenken, ob sie mit ihrer Arbeit dem Täter nicht doch wertvolle Hinweise liefern.

Das Ergebnis dieser Arbeit kann sich sehen lassen: Umfragen zufolge macht sich inzwischen jeder Zweite in Washington und drumherum ernsthafte Sorgen um seine Gesundheit. Gelassenheit ist es nicht, was die Berichterstattung in diesem Fall bestimmt. Aber mit Gelassenheit erreicht man auch keine hohen Einschaltquoten.