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Quo vadis Automobilität

28. Januar 2011

Der Preis für Sprit steigt. Bei der Verbrennung entsteht umweltschädliches Kohlendioxid. Und in absehbarer Zeit wird es weltweit keine fossilen Brennstoffe mehr geben. Ist die Zeit für einen großen Wandel gekommen?

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Autoexperte Professor Stefan Bratzel (Foto: dpa)
Professor Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive in Bergisch GladbachBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD: Wie sieht ihrer Meinung nach das Auto der Zukunft aus?

Stefan Bratzel: Ich glaube, dass das Auto der Zukunft in den nächsten 10,15 Jahren immer elektrischer werden wird. Es wird eher kleiner werden und darüber hinaus werden wir auch in Zukunft noch eine längere Zeit mit dem konventionellen Motor herumfahren. Das heißt, mit Diesel- und Benzinmotoren. Aber die Themen Umwelt und Energieeffizienz werden in naher Zukunft eine sehr große Bedeutung im Automobilbau bekommen - eine deutlich größere Bedeutung als bisher.

Wie schnell kann sich die Automobilindustrie in Deutschland umstellen?

Die Automobilindustrie ist eine sehr große Industrie. Was nicht zuletzt bedeutet, dass Veränderungen hier nur vergleichsweise langsam - wenn man das beispielsweise mit der IT-Industrie vergleicht - stattfinden werden. Das bedeutet, dass Entwicklungen, die heute geplant werden, in frühestens fünf bis sieben Jahren im Auto zu sehen sein werden. Veränderungen finden also vergleichsweise langsam statt. Man muss auch bedenken, dass wir bereits eine große Fahrzeugflotte auf den Straßen haben. Und bis diese Fahrzeugflotte sich mit neuen Modellen quasi einmal umgewandelt hat, vergehen 10, 15 Jahre - mindestens.

Sie haben von Veränderungen gesprochen. Wie sehen die in der Automobilindustrie aus? Und was ist gesellschaftlich akzeptiert? Wie ist der Status quo?

Ich denke, dass die Firmen ein klares Gefühl dafür haben, was abgesetzt werden kann, was gesellschaftlich akzeptiert ist, wo es dafür eine Nachfrage gibt. Und da muss man auf die zentralen Trends schauen. Zwei Trends sind ganz fundamental und die werden den Automobilbau revolutionieren: Energieeffizienz und Umwelt. Es kommen aber natürlich noch weitere Trends hinzu, wie das Thema demographischer Wandel. Der wird uns in Europa - neben Japan - am stärksten treffen.

Und dann natürlich das große Thema der Urbanisierung. Jetzt schon lebt mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung auf der Erde in Städten und der Urbanisierungsgrad geht weiter. Das sind enorme Herausforderungen. Durch die Urbanisierung steigt die Verkehrsdichte und hierfür müssen Lösungen gefunden werden. Es wird sicherlich nicht so sein, dass in China, beispielsweise in Städten wie Shanghai oder Peking, so viele Autos pro Kopf herumfahren werden wie bei uns. Das heißt, da muss es andere Lösungen geben.

1999 stellte der Autobauer Volkswagen einen Wagen vor, der nur drei Liter Diesel auf 100 Kilometer verbraucht: den Dreiliter-Lupo. Die Produktion wurde eingestellt, der Wagen konnte sich nicht behaupten. Warum?

Der Dreiliter-Lupo hat es deswegen nicht geschafft, weil zum einen die Nachfrage nach spritsparenden Fahrzeugen nicht groß genug war und weil er in einem sehr langweiligen Kleid daher kam. Das heißt, er war nicht attraktiv genug als Auto. Und diese beiden Gründe haben ihn neben dem dazu noch sehr hohen Preis im Vergleich zu den Wettbewerbern nicht als den großen Bringer in die Automobilgeschichte eingehen lassen.

Ein alternatives Fahrzeug ist das Hybridauto. Das gibt es schon. Wie wird es mit diesem Fahrzeugtyp weiter gehen?

Beim Thema Hybridmotor besteht die Problematik darin, dass zwei verschiedene Motoren in einem Fahrzeug integriert sind. Das ist teuer. Und insofern ist das für mich auf längere Sicht nicht die Lösung, die am Ende bestand haben wird, weil das auf Dauer zu teuer sein wird. Das heißt, es wird ein Übergang sein.

Wo sehen Sie das reine Elektroauto?

Das Elektroauto ist seht spannend. Fast alle globalen Hersteller arbeiten sehr intensiv an Lösungen für ein Elektroauto. Das Elektroauto ist im Moment in aller Munde, aber es wird noch eine Zeit lang dauern, bis es eine vernünftige Verbreitung findet. Gerade jetzt bringen einzelne Hersteller ein paar Modelle in Serie. Das zentrale Problem ist aber nach wie vor der Preis der Batterie. Es wird noch einige Jahre dauern, bis dieser Preis akzeptabel wird.

Die zweite große Problematik hängt auch mit der Batterie zusammen: die Reichweite. Auch da muss es noch wesentliche Innovationsaktivitäten geben, damit man mit dem Elektroauto ein konkurrenzfähiges Produkt im Vergleich zum derzeit gewohnten Benzin- oder Dieselmotor hat.

Was ist mit dem Wasserstoffauto?

Das Wasserstoffauto, verstanden hier als Brennstoffzellen-Fahrzeug, das mit Wasserstoff betrieben wird, wird noch eine Weile brauchen, bis es eine gewisse Verbreitung finden wird. Das Problem hierbei ist der enorm hohe Preis für die Brennstoffzellen. Dafür wird sehr viel Platin eingesetzt. Für so ein Auto muss man noch viel zu viel bezahlen. Außerdem sind noch einige technische Probleme nicht gelöst-

Es gibt noch das Wasserstoffauto, das anstatt mit Benzin mit Wasserstoff betankt wird, und einen Verbrennungsmotor hat. Das ist ein Modell, das der Autobauer BMW lange Zeit verfolgt hat, mittlerweile aber nicht mehr. Da gibt es meines Erachtens keine großen Anstrengungen in der Zukunft mehr, dass das in der Breite Zugang in der Automobilindustrie findet.

Werden wir zukünftig ein Auto noch genauso fahren, wie wir das heute machen?

Ich glaube, dass wir der Vision des selbst fahrenden Autos näher kommen werden. Wir sehen ja schon jetzt mit den verschiedenen Assistenzsystemen, dass der Fahrer immer mehr Überwachungsfunktionen hat. Beispielsweise wird der Abstand gehalten, man wird gewarnt, wenn man die Spur wechselt, und es gibt schon Testwagen, die fast selbstständig durch die Städte fahren. In den nächsten 20 bis 30 Jahren könnte es sein, dass viele Fahrzeuge tatsächlich die Möglichkeit haben, komplett selbst zu fahren. So dass man tatsächlich nur noch überwachend dabei sitzt.

Wird es in der Zukunft noch einen Individualverkehr geben, wie wir ihn heute haben?

Ich glaube, dass dem motorisierten Individualverkehr immer mehr Schranken gesetzt werden. Schlicht aus der Notwendigkeit heraus, dass die Fahrzeugdichte in den Städten immer mehr steigt und die Umweltbedingungen immer mehr eingehalten werden müssen. Ich denke, dass die Regulierung steigt. Aber das Automobil als eine Möglichkeit, sich frei von A nach B unabhängig zu bewegen, das wird noch lange Bestand haben.

Interview: Petra Nicklis
Redaktion: Kay-Alexander Scholz