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Wie Kafka in Brüssel

Alexander Kudascheff2. Februar 2005

Brüssel-Korrespondent Alexander Kudascheff wird es im Moment nicht leicht gemacht in der Europa-Zentrale. Wie vielen anderen auch, die auf eine Verlängerung ihres Hausausweises warten.

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Journalisten wissen es: Akkreditierungen müssen sein. Nicht nur in Zeiten des Terrors. Und sie wissen auch: Manchmal geht das im Zeitalter des Internets schnell, mal mühselig. Gipfel, Konferenzen, all das muß überstanden werden - und im wahrsten Sinn des Wortes, von Journalisten erstanden werden, bis sie endlich im Besitz des so wichtigen badge sind.

Brüssel ist dabei natürlich kein besonderes Biotop, sondern so wie alle anderen Haupstädte auch. Dachte man bisher. Doch was sich seit Wochen in der europäischen Hauptstadt abspielt, ist für die Kummer gewohnten Journalisten und Korrespondenten nicht mehr nur lästig. Die neue Kommission zeigt sich schlicht und einfach als unfähig. Selbst altgediente Korrespondenten können sich an ein solch wirres Schauspiel, wie es die Kommission in diesen Tagen aufführt, nicht erinnern.

Es begann Ende letzten Jahres, als man wie immer erinnert wurde, die Akkreditierung stünde an - und die Kommission ginge neue Wege. Man wolle alle Zugangsberechtigungen (Sicherheit, Sicherheit) neu überprüfen, und eventuell Akkreditierungen verweigern.

Also schickte man per Internet Fotos, Korrespondenten-Bestätigungen der Direktoren und Chefredakteure, Mietverträge und Aufenthaltsberechtigungen ein - und wartete. Auf mehrfache Rückfragen erfuhr man entweder gar nichts - weil das Telefon ins Leere klingelte - oder immerhin, dass die zuständige Sachbearbeiterin in Meetings sei - und den ganzen Tag nicht greifbar.

Dann gab es plötzlich den Hinweis, alles verzögere sich. Aber man solle sich bereit halten. Dann tagte ein Gremium, das entscheiden sollte - aber nicht entschied. Dann ein zweites Gremium, von dem wir bis heute nicht wissen, ob es getagt und entschieden hat oder nicht. Anrufe in die Kommission - einem kafkaesken Irrsinn gleich - verliefen im Nichts oder man wurde vertröstet, während die Sicherheitsbeamte beim Eintritt einen schon aufforderten, endlich die Passierscheine zu verlängern.

Diesen Hohn gab es natürlich gratis. Und dann eine erneute Kehrtwendung: Kommen Sie vorbei, hieß es lapidar, bringen sie zwei Kopien des Ausweises mit, dann kriegen sie ein Formular, mit dem Sie sich dann an zwei Tagen zwischen 10 und 12 und am nachmittag ebenfalls zwei Stunden akkreditieren können.

Soweit so gut - bloß die zuständige Sachbearbeiterin - sie war in Meetings, den ganzen Tag. Und dann sei sie vielleicht am nächsten Tag greifbar - aber nicht vor 11 Uhr. So warten tausende von Korrespondenten weiter darauf, ob sie endlich einen neuen Hausausweis für 2005 bekommen. Oder demnächst vor für sie verschlossenen Türen stehen.

Der Missmut, die schlechte Laune, das Grollen unter den Korrespondenten wächst jedenfalls - auch weil die neue Sprecherriege der neuen Kommission nicht mehr greifbar ist, wenig weiß oder wenig sagt (selbst Tagesordnungen sind geheime Verschlusssachen, die mit Vorliebe am Tag des Ereignisses bekannt gegeben werden) und sich plötzlich wieder in die Tradition französischer Apparate einreiht, die Journalisten grundsätzlich für Wadenbeisser halten, denen man nichts zu sagen habe.

So zeigt sich die europäische Kommission, eigentlich der

Motor der europäischen Integration, zur Zeit von seiner schlechtesten Seite: als überforderter Apparat, der Transparenz nur als Floskel begreift. Ein gelungener Fehlstart für Barroso, seine Mannschaft und seinen Apparat.