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Wie man der Geschichte die Augen wischt

Patrick Tippelt, Bangkok11. April 2006

Ist Thaksin zurückgetreten, abgetreten, ausgetreten? Oder ist seine tränenreiche Rede, mit der er seinen Rückzug aus der Tagespolitik ankündigte, nur eine Farce, wie so vieles im Leben des machtgierigen Drahtziehers?

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Bangkok bereitet sich aufs Schlimmste vor. Mittwoch geht’s los. Millionen von Familien brechen auf. Rasch werden noch letzte Einkäufe getätigt. Die letzten Stunden verbringt man bangend auf gepackten Koffern. Die Ärmeren trotten zu Busbahnhöfen. Bangkoks Hauptbahnhof: belagert.

Bangkok kurz vorm Ausnahmezustand: Das Neujahr kommt. Das thailändische, Songkhran, das Wasserfestival. Halb Bangkok reist aus, besucht die weitläufige Familie. Der Rest der Bangkoker wird sich bis nächsten Sonntag freundlichen Wasserschlachten hingeben.

Busenfreunde und Marionetten

Darüber wird die politische Situation ins Nichts entschwinden, zumindest bis nach dem Wochenende. Der thailändische Premier Thaksin Shiawatra hat sich vorerst aus dem Tagesgeschehen zurückgezogen. Er ist, wohlgemerkt, nicht zurückgetreten. Er bleibt Boss seiner Partrei, der Thai Rak Thai (Thais Lieben Thais). Er wird nur nicht mehr dem Land als Regierungspräsident zur Verfügung stehen. Er ernannte Chidchai Wannasathit als vorläufigen Premier. Der bisherige Justizminister ist vor allem für das umstrittene Notstandsgesetz bekannt, welches der Polizei und dem Militär erlaubt, jeden festzunehmen und ohne Grund festzuhalten. Auβerdem ist er ein alter Freund Thaksins: Sie hatten gemeinsam in den USA und auf der Polizeiakademie studiert. Er ist, mit anderen Worten, ein Busenfreund Thaksins, uind damit dessen Marionette.

Letzte Woche packte Thaksin seinen Krempel zusammen und verabschiedete sich unter Tränen von seinen treuen Fans, Bauern und Taxifahrern, denen er versprach, dass er und seine Partei sie nicht im Stich lassen würden, denn immerhin sei die TRT immer schon die Partei der Armen Thailands gewesen. Dann ging Thailands reichster Mann erst einmal in einer der schicksten Malls Bangkoks lunchen.

Beeindruckendes Leistungspaket

Die Börse reagierte auf den Abtritt rauschhaft. Der Baht schnellte in die Höhe. Es wurden Rekordgewinne gemeldet. Doch nur Stunden nach dem historischen Ereignis, vom König angestoβen, meldeten sich die ersten schlauen Köpfe unter Thaksins Gegnern zu Wort. Darunter ein ehemaliger Premier, der betonte, dass Thaksins Regime weiterhin existierte. Dieses setze sich zusammen aus "Behinderung von Nichtregierungs-Organisationen, Beeinflussung der Medien, Bestechung, Filzokratie, Interessenkonflikten als auch auβergerichtlichen Tötungen und Entführungen" – ein beeindruckendes Leistungspaket der bisherigen Regierung.

Thaksin also bleibt weiterhin beschäftigt. In den letzten zwei Wochen allein hat er sieben Journalisten wegen Beleidigung angezeigt.

Thaksin Junior

Internationale Reaktionen auf Thaksins Schritt gab es viele, aber eine sticht hervor. Es ist die seines kleinen Bruders im Osten. Hun Sen, Thaksins Pendant in Kambodscha, bedauerte die Entwicklung in Thailand. Immerhin waren die zwei enge politische Verwandte. Hun Sen, dem schleimigen Nährboden der Roten Khmer entsprungen und seit 1985 Kambodschas Ministerpräsident, ist vor allem durch seine Skrupellosigkeit bekannt geworden, durch seine engen Verbindungen zum Big Business, durch Korruption und Plünderung seines Landes durch illegale Abholzung und den Export von Edelhölzern. Und durch die Verzögerung des Roten Khmer-Tribunals. Gern ahmte der gute Hun Sen den groβen Thaksin nach, vor allem dessen teils absurde Gesellschaftsgesten: Schloss Thaksin die Puffs in Bangkok, schloss Hun Sen die Karaokediskos in Phnon Penh. Vielleicht kann Thaksin ja bald Hun Sen mal zum Mittagessen einladen, als Dank für die moralische Unterstützung, deren Thaksin eigentlich nicht bedarf.