1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie rochen die alten Ägypter?

Das Interview führte Ricarda Otte16. März 2009

Michael Höveler-Müller, Kurator des Ägyptischen Museums in Bonn, will einen 3500 Jahre alten Duft retten. Das Parfum gehörte Pharaonin Hatschepsut - "übergewichtig, zuckerkrank, machtgierig", sagt er. Aber wie roch sie?

https://p.dw.com/p/HBVo
Kurator Michael Höveler-Müller hatte bei diesem Fläschchen in der Vitrine den richtigen RiecherBild: DW / Otte

DW-WORLD.DE: Was hat denn ein 3500 Jahre alter Flakon in einem Computertomografen zu suchen?

Michael Höveler-Müller: Als ich im Januar dieses Jahres hier anfing, entdeckte ich dieses Fläschchen in der Vitrine, sah, dass es noch original verschlossen war und dachte mir: Es könnte sein, dass da noch Inhaltsreste übrig sind. Solche Gefäßformen kennt man, da ist meistens Parfum drin, aber keine originale Substanz hat sich bis heute erhalten können. Dann hab ich bei unseren Chemikern angerufen, ihnen das Problem geschildert und gefragt, ob sich das lohnen würde, dass sie einmal einen Blick darauf werfen würden. Um das ohne Schaden am Gefäß vollziehen zu können, bot sich eben an, es durch einen Computertomografen zu schicken.

Bilder aus dem Ägyptischen Museum Bonn
Hatschepsuts Parfum-Flakon wandert auf Schaumstoff gebettet durch den ComputertomografenBild: Ägyptisches Museum der Universität Bonn

Der Flakon ist ja winzig im Vergleich zu dem, was da normalerweise geröntgt wird. Was war das für ein Bild?

Ein sehr abstruses Bild, so ein altes kleines Gefäß doch durch so einen großen, modernen Apparat wandern zu sehen und rote Laserstrahlen oder was auch immer das war auf dem alten Stück zu sehen. Es hat mich sehr berührt, es war sehr schön, dass man so das alte mit dem ganz Modernen verbinden kann und dass man die modernen Sachen nutzen kann, um eben alte Geheimnisse zu knacken.

Was haben die Radiologen beim Röntgen entdeckt?

Also, mein Gefühl hat sich bestätigt, es sind Inhaltsreste im Gefäß drin, eine eingetrocknete Flüssigkeit, die uns anzeigt, dass das Gefäß gelegen hat über Jahrtausende hinweg. Die ist am Randbereich des Gefäßkörpers haftengeblieben und wahrscheinlich können wir optimistisch sein, die Menge scheint auszureichen, um sagen zu können, wie die Substanz, die da einmal drin war beschaffen war.

Was wird jetzt mit diesen Resten passieren?

Unsere Chemiker werden sich der Sache annehmen, die analytische Chemie. Es hat den Charakter einer Doktorarbeit, das wird wahrscheinlich auch ein bisschen dauern, ehe das komplett entschlüsselt ist, aber wir sind sehr optimistisch

Parfum-Flakon
Der Ton-Flakon ist etwa 12 Zentimeter hoch, 150 Gramm schwer und 3500 Jahre altBild: Ägyptisches Museum der Universität Bonn

Ein Schriftzeichen auf dem Gefäßbauch deutet darauf hin, dass der Flakon der Pharaonin Hatschepsut gehört hat. Was weiß man über sie?

Hatschepsut war eine Königin aus der 18. Dynastie, die um 1400 vor Christus Ägypten regiert hat. Sie war sehr machtorientiert, das wissen wir daher, dass sie kommissarisch für ihren Stiefsohn die Macht übernommen hat, regieren konnte, das war damals so üblich, das Kind war noch minderjährig und als dann der Zeitpunkt der Machtübergabe gekommen war, hat sie sich entschieden, allein weiterzuregieren. Sie hat ihn nominell zum Co-Regenten ernannt, aber eigentlich lag die Entscheidungsgewalt bei ihr. Wir wissen von ihrer Mumie, die 2007 identifiziert wurde, dass sie wahrscheinlich krebskrank war, an Zucker litt und auch fettleibig war.

Und wenn Sie an ihren Duft denken, was stellen Sie sich da vor?

Bilder aus dem Ägyptischen Museum Bonn
DW-Reporterin Ricarda Otte im Gespräch mit Michael Höveler-MüllerBild: DW / Otte

Ich würde mir bei Hatschepsut eine herbe Note vorstellen können, etwas leicht Maskulines. Ich vermute, dass da ein großer Bestandteil Weihrauch enthalten ist, weil Hatschepsut eine Expedition nach Punt, dem legendären Weihrauchland, ausgerichtet hat und von dort auch Weihrauchbäumchen mitgebracht hat. Deshalb könnte man vermuten, dass sie diesen Duft der Götter, das hat man damals so verstanden im alten Ägypten, auch für sich gern in Parfum-Form gehabt hätte.

Was würde das für Sie als Ägyptologen bedeuten, wenn es Ihnen gelänge, einen Duft zu rekonstruieren?

Das ist tatsächlich ein Meilenstein, es ist noch niemals gelungen, die Duftwelt der Ägypter irgendwie zu entschlüsseln. Das ist etwas, was wir bis jetzt für unmöglich hielten, eine Welt, die wir – wie auch ihre Musik – verloren glaubten, und durch dieses kleine Restchen in diesem wunderschönen Flakon ist es nun möglich, dieses Fenster aufzustoßen und einmal die Nase in die Welt der Pharaonen zu halten, wie sie einmal wohl war. Es ist weltweit das erste Mal, dass so etwas passiert, und dann auch noch gleich ein königlicher Duft, also, wir dürfen gespannt sein.