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Wie Schiedsrichter so Premierminister

Patrick Tippelt3. Juli 2006

Jetzt treibt wieder sein Unwesen: Der eigentlich zurückgetretene Premier Thaksin Shinawatra ist zurück – definitiv im Rampenlicht, dank verbaler Ausfälle. Klein kariert steht ihm nicht, schon gar nicht in Berlin.

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Blasser als sonst sah er aus. Das quadratische Gesicht zerfurcht. Ein wenig zugenommen hat er auch. Doch das leicht überhebliche Pseudo-Lächeln hat er noch immer noch drauf.

Der talentierteste Schauspieler des Königreichs betrat vorige Woche die riesige Bühne im "Theater Thailand". Der im Frühjahr quasi-zurückgetretene Premierminister Thaksin Shinawatra will die Zügel wieder an sich reißen. Den Macker machen, nach ein paar Monaten der freiwilligen Selbstverbannung. Damals hatte er noch tränenreich das Volk gebeten, sich zusammenreißen. Das Dauer-Demonstrieren doch sein zu lassen, aus Respekt vor dem damals anstehenden Jubiläum der Thronbesteigung des thailändischen Königs.

Seitdem düste Thaksin durch die Welt und spielte ganz viel Golf. Still war es um ihn geworden, verdächtig still. Im Juni wurde König Bhumiphol befeiert. Und letzten Donnerstag zeigte Thaksin, dass er ein Taktiker pur ist.

Zoten vom Alpha-Männchen

Er ist wieder hier, in seinem Revier – so scheint es. Nur weiβ selbst er nicht, ob die bisher folgsame Zuschauerschaft – die Bürger Thailands – so recht an ihn glaubt, ihm glaubt. Und daher werden erst einmal wieder politische Zoten gerissen. Das Ex-Alpha-Männchen will allen, vor allem ihm selbst und seinen Gegnern, noch einmal beweisen: Die Macht ist mit ihm.

Schon bei der Premiere des Stücks, Thaksins erstem öffentlichen Auftritt, ketzerte er gegen einen Anonymus, ein "charismatisches Individuum", das "verfassungswidrig" versuche, die Regierung zu manipulieren.

Riesiges Schlamassel

Denn Thailand steckt in der Regierungskrise, seit Anfang Mai schon, als das thailändische Verfassungsgericht die von Thaksin selbst vorgezogenen Parlamentswahlen vom 2. April für ungültig erklärte, da sie überstürzt abgehalten worden waren. Die Wiederholung steht im Oktober an.

Aber Wahlkampf betreibt keine Partei. Denn die fünf gröβten Parteien stehen kurz vor der Zwangsauflösung durch das Verfassungsgericht – was noch diese Woche darüber entscheiden wird. Die Fünf hatten nämlich so einigen Unfug getrieben vor den April-Wahlen, von fingierten Mitgliedern bis zu widrigen Geldausschüttungen.

Ein riesiges Schlamassel, mit anderen Worten. Und wohl deshalb auch markiert Thaksin den starken Mann. Doch das Machogebaren verstört die Thais. Nahezu die Hälfte aller Befragten war laut einer Umfrage vom Wochenende der Meinung, Thakins Verhalten sei nicht gut fürs Land. Nur – was einzelne Bürger so von ihm halten, scherte Thaksin noch nie. Lieber versuchte er am Montag (4. Juli), sich bei den Beamten anzubiedern: Gehaltserhöhungen seien 2007 kein Problem. Als ob es überhaupt keiner Parlamentswahl bedürfte. Oder als ob jetzt schon der Sieger klar stünde.

Klagen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag

Thaskin gibt Vollgas. Vergangenen Freitag reichte er eine Zivilklage wegen übler Nachrede ein, gegen seine Lieblingsgegner, die Demokraten. Auf 20 Millionen verklagte er sie. Da platzte selbst einem seiner ehemaligen Parteifreunde der Kragen – den "Mund halten" solle Thaksin und nicht Hasstiraden.

Die Allianz für Demokratie, die Bürgerbewegung, die den Stein ins Rollen gebracht hatte mit Massenprotesten gegen Thaksin, plant Gegenklagen und weitere Massendemos.

Die ganze Welt eine Bühne

Thaksin aber bleibt ganz gelassen. Locker und flockig verkündete er sein nächstes Vorhaben: zum Finale der WM in Berlin fliegt er. Fußballfan ist er nicht unbedingt – er möge jedes Team, sagte er heute. Viel eher hoffe er darauf, andere Weltpolitiker zu treffen. Jedwedes Jubeln mit der Politspitze Europas verbietet das diplomatische Protokoll, denn genau genommen steht Thaksin an der Spitze einer Interimsregierung. Bagatellen! Weitblick beweist der Mann: "Fußbälle und T-Shirts werden in Thailand produziert, und thailändische Schiedsrichter sind bei der WM, warum also nicht auch der thailändische Premierminister?"