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Wie stark trifft die Gaspreis-Erhöhung die Ukraine wirklich?

19. Januar 2006

Ukrainische Politiker streiten über das Abkommen mit Gasprom. Kritikern zufolge ruinieren die höheren Preise die Volkswirtschaft. Die Lage sei aber nicht dramatisch, meint Ricardo Giucci, Berater der Regierung in Kiew.

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Schlechte Entwicklungen für die ukrainische Wirtschaft?Bild: AP

Wenn man den Gegnern der Regierung Jurij Jechanurow Glauben schenkt, dann wird die ukrainische Wirtschaft die höheren Gaspreise nicht lange durchhalten. Beispielsweise haben Vertreter von 14 Metallurgie-Unternehmen aus dem Osten der Ukraine Präsident Wiktor Juschtschenko aufgefordert, die Probleme unverzüglich zu lösen, die nach der Unterzeichnung des Gasabkommens mit Russland entstanden seien. In einem von ihnen verbreiteten Brief werfen die Metallurgen dem Präsidenten vor, die Gesellschaft und Industrie auf die Erhöhung des Gaspreises nicht vorbereitet zu haben. Das würde einen Rückgang des Wachstums, die Schließung von Unternehmen, die Entlassung von Millionen Arbeitsnehmern, den Verlust von Auslandsmärkten, eine Hyperinflation und einen drastische Entwertung der Landeswährung zur Folge haben. Die Metallurgen fordern, für die Verhandlungen mit Gasprom eine neue Arbeitsgruppe aus qualifizierten Parlamentariern zu bilden.

Aber nicht alle ukrainischen Industriellen teilen die Haltung jener Metallurgen. Die Anhänger der Regierung sind optimistischer. Wasyl Hurejew, ehemaliger Vizepremier und führendes Mitglied der Partei der Industriellen und Unternehmer, unterstrich, weitsichtige Manager hätten sich schon vor Jahren auf eine Verteuerung der Energieträger eingestellt. Der Chemie-Verband der Ukraine, dessen Unternehmen stärker vom Erdgas abhängig seien als die der Metallurgie, habe seit langem eine Anpassung der Industrie an teurere Energieträger verlagt. Hurejew sagte: „Sie haben begriffen, dass diese Entwicklung unumkehrbar ist. Sie erklären, es werde schwierig sein, die Verteuerung der Rohstoffe durchzuhalten. Aber sie sind bereit, alle diese Etappen schrittweise zu durchlaufen.“

Kurzfristig ein Schock

Der Experte der deutschen Beratergruppe bei der ukrainischen Regierung, Richardo Giucci, ist der Ansicht, dass man bei der Erhöhung der russischen Gaspreise zwischen langfristigen und kurzfristigen Auswirkungen unterscheiden müsse. Er sagte der Deutschen Welle: „Viele Beobachter haben Recht, dass kurzfristig die höheren Gaspreise problematisch sind und eine Art Schock darstellen. Gesamtwirtschaftlich gehen die Importe hoch, was natürlich sehr schlecht für die Konjunktur ist, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit von energieintensiven Industrien geht zurück, und damit auch die Exporte, und das ist auch schlecht für die Konjunktur.“ Insofern sei zu erwarten, dass sich der höhere Gaspreis für das Jahr 2006 negativ auf das Wachstum auswirken werde, so Giucci.

Langfristig positive Folgen

„Es ist aber wichtig, das auch in einer langfristigen Perspektive anzuschauen und dann relativiert sich dieser Schluss“, betonte Giucci. Er sagte ferner: „Man muss sehen, dass die Anhebung der Preise nur eine Frage der Zeit war. De facto handelt es sich hier um sehr stark subventionierte Preise. Es war klar, dass irgendwann Russland höhere Gaspreise verlangen wird. Das ist nicht ein Schock, mit dem keiner gerechnet hat. Man muss diese Sache auch dynamisch betrachten. Wenn der Preis für Gas steigt, dann haben die Akteure, Haushalte und Unternehmen Anreize, diese Ressource effizienter einzusetzen. Im Moment findet in der Ukraine eine enorme Energieverschwendung statt. Der Grund für diese Verschwendung ist unter anderem der sehr geringe Energiepreis, der wiederum auf dem subventionierten Gaspreis basierte. Der teurere Gaspreis jetzt bedeutet einfach, dass die Leute wirtschaftlicher mit dem Gas und mit Strom umgehen werden.“ Giucci meint, das sei eine gute Wendung, weil das auch Reformen bedeute. Insofern sieht der Experte langfristig auch positive wirtschaftliche Effekte. Hinzu komme auch noch ein ökologischer Nutzen.

Alles nur Wahlkampf?

Giucci kommt zum Ergebnis, dass die dramatischen Wirtschaftsprognosen der Politiker und der ihnen nahestehenden Industrien Teil des Wahlkampfes sind. Er betonte: „Das ist leicht gesagt für einen Volkswirten, der langfristig denkt. Für einen Politiker, der in zwei Monaten zur Wahl steht, sieht die Sache anders aus. Da werden kurzfristige Momente viel stärker bewertet und daraus erklärt sich, dass das jetzt hier so negativ bewertet wird.“

Oleksandr Sawyzkyj, Kiew

DW-RADIO/Ukrainisch, 17.1.2006, Fokus Ost-Südost