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Entspannter Ölmarkt

Klaus Ulrich4. Oktober 2006

Entlastung für die Wirtschaft: Seit seinem Rekordstand im Juli ist der Ölpreis um rund 20 Prozent gefallen. Wie ist dieser fast schon dramatische Einbruch zu erklären? Und wird der Preis vielleicht noch weiter sinken?

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Silhouette eines Ölarbeiters, der an einem Rad an mehreren Rohren dreht.
Arbeiter an einem Bohrloch an der US-GolfküsteBild: AP

Nachdem der Ölpreis bei seiner Entwicklung lange Zeit nur eine Richtung zu kennen schien - nämlich aufwärts - scheint sich dieser Trend nun umzukehren. Am Mittwoch (4.10.2006) rutschte der Preis für ein Barrel (159 Liter) der US-Referenzmarke WTI in Richtung der 58-Dollar-Marke - und damit auf den tiefsten Stand seit sieben Monaten. Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich.

"Wir haben erlebt, dass die Spekulationsblase, die sich über eine lange Zeit aufgebaut hat - insbesondere aufgrund von politischen Faktoren - jetzt geplatzt ist", meint Rainer Wiek, Chefredakteur des Hamburger Energieinformationsdienstes. "Wir haben beim Rohöl innerhalb von zehn Wochen einen Preisverfall von fast 80 auf unter 60 Dollar erlebt." Allerdings, sagt Wiek im gleichen Atemzug, sei schon wieder eine leichte Gegenbewegung beim Preis zu beobachten.

Die Macht der Psychologie

Die Ursache für den Preissturz sieht Klaus Matthies vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) in einer realistischeren Markteinschätzung im internationalen Ölgeschäft. "Es sieht so aus, als hätten sich die fundamentalen Marktdaten jetzt stärker durchgesetzt", sagt er. "Das Ölangebot ist ja seit mehreren Jahren größer als die Nachfrage. Trotzdem war der Preis aufgrund von Sorgen um Versorgungsengpässe so stark gestiegen."

Anders ausgedrückt: Die Angst vor politischen Konflikten wie dem Atomstreit mit dem Iran, vor Terror-Attacken und Naturkatastrophen, die die Ölförderung oder die Transportwege gefährden könnten, ist zurzeit weniger stark ausgeprägt als noch vor einigen Wochen. Alles also eine Frage der Psychologie, meint Wiek. "Wir haben in der Vergangenheit unglaubliche Bewegungen am Ölmarkt erlebt, und das wird sicherlich auch in Zukunft so sein. Momentan scheint mir alles darauf hinzudeuten, dass der ganz starke Preisrückgang zu Ende ist", sagt er. Sollten aber neue politische Krisen auftreten, könne der Preis ganz schnell auch wieder steigen.

Saisonale Einflüsse

Zudem gebe es bei den Produkten bestimmte saisonale Effekte zu beachten, erklärt Wiek. Der Winter steht vor der Tür, viele Deutsche sind beim Heizöl unterbevorratet. "Das heißt, kommt dort die große Nachfragewelle, könnte die zumindest bei diesem Produkt auch wieder für stabile oder leicht steigende Preise sorgen."

Mit einem weiteren Preisverfall beim Rohöl ist also wohl nicht zu rechnen. Nicht zuletzt deshalb, weil Förderländer wie Nigeria und Venezuela bereits eine leichte Förderkürzung angekündigt haben, um weiteren Preisrückgängen entgegenzuwirken. Andere Ölproduzenten könnten folgen, meint Matthies. Der derzeitige Preis stelle die Untergrenze dar, weil sich die Organisation Eröl exportierender Länder (OPEC) an die hohen Preise gewöhnt habe. "Der OPEC-Präsident hat vor kurzer Zeit gesagt, dass er einen Preis von 60 Dollar eigentlich schon zu niedrig findet. Das heißt, die OPEC-Länder - allen voran Saudi-Arabien - werden ihre Produktion zurückfahren, wenn der Ölpreis weiter sinkt." Ob sich alle Länder daran beteiligen würden, sei zwar zweifelhaft, sagt Matthies. "Aber dadurch, dass sie reagieren werden, wenn der Preis weiter fällt, glaube ich, ist da der Boden entzogen. Viel niedrigere Ölpreise sehe ich eigentlich nicht für das nächste Jahr."

In diesem Jahr dürfte der Ölpreis auch deswegen im Fokus stehen, weil Investoren die Kaufkraft der Kunden vor dem anstehenden Weihnachtsgeschäft abschätzen möchten. Je weniger die Verbraucher für Benzin und Heizöl ausgeben müssen, desto mehr haben sie für Konsumgüter übrig. Die Zeit vor dem Weihnachtsfest ist für den Einzelhandel traditionell die wichtigste im Jahr.