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Wie viel Mensch verdient ein Elefant?

14. April 2009

In Zoos gehören Elefanten zu den beliebtesten Tieren. Über die Art der Haltung aber streitet man sich. Kontakt zum Pfleger ja oder nein? Klar, sagt man im Tierpark Friedrichsfelde. Der Mensch gibt das Kommando.

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Wie lebt das Wildtier Elefant in menschlicher Gefangenschaft?
Wie lebt das Wildtier Elefant in menschlicher Gefangenschaft?Bild: Richard A. Fuchs

Willkommen im Tierpark Friedrichsfelde, trompetet ein quietschfideler kleiner Elefant vom Plakat einer Litfasssäule des Berliner Tierparks, einem der zwei Berliner Hauptstadtzoos. Dahinter liegt das Herz des weitläufigen Zoogeländes, ein brauner und staubiger Auslaufhof und eine ockerfarbene Betonhalle, so hoch wie fünf Elefantenkühe. Es ist das Dickhäuter-Haus, darin leben 20 Elefanten zwischen grünen Dschungelpflanzen und Bambusgitter-Boxen.

Die Mutter wird betäubt, das Kind wird rausgeholt

Nachwuchs in der Box: Sollen Jungtiere bei der Geburt von der Mutter getrennt werden?
Nachwuchs in der Box: Sollen Jungtiere bei der Geburt von der Mutter getrennt werden?Bild: Richard A. Fuchs

Im Moment ist nur Elefantenkuh Kewa da und natürlich ihr ganzer Stolz, das 14. Elefantenbaby des Tierparks, bei Geburt 117 Kilo schwer und knapp ein Meter groß. Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz erklärt sein Konzept, wie eine solche rund zwanzig Minuten dauernde Geburt vonstatten geht: "Wir nehmen das Elefantenkind unmittelbar nach der Geburt weg, die Mutter bekommt in der Zwischenzeit eine Beruhigungsspritze". Das sei ein erprobtes Verfahren, an dem er festhalte. "Denn gerade bei der Erstgeburt ist die Gefahr groß", sagt der Zoodirektor, "dass die Elefantenkuh den Schmerz nicht einschätzen kann und nach dem Kind ausschlägt."

Einige andere Zoos praktizieren dagegen das Verfahren der wilden Geburt, bei der das Kind sofort bei der Mutter verbleibt. Was von einigen Tierschützern als besonders wichtig für die Bindung zwischen Mutter und Kind bezeichnet wird. Für den stämmigen Zoodirektor mit braunem Hemd, brauner Lederweste und Sandalen, nur ein schwaches Argument: "Ab dem vierzigsten Jungtier mache ich das auch so, vorher noch nicht."

Elefant Shaina Pali
Ausgiebiges Baden ist natürlich erlaubt!Bild: AP

Anketten oder nicht – Haltungskonzept gesucht

Doch nicht nur wegen seiner Geburtsmethode steht der Berliner Zoodirektor im Kreuzfeuer. Tierschutzgruppen wie der Verein "Elefanten-Schutz Europa" oder die Tierrechtsaktivisten der Organisation "PETA" werfen ihm systematische Tierquälerei vor und rebellieren gegen das Anketten der Tierpark-Elefanten. Das mache sie aggressiv, krank und verursache Unfälle, so der Vorwurf.

Gerade im vergangenen Jahr initiierten sie regelrechte Medienkampagnen gegen den Zoodirektor mit den markigen Worten. Der gibt sich zumindest äußerlich aber unbeeindruckt: "Ich kette immer beim direkten Kontakt an, und auch im Moment der Geburt ist das aus Sicherheitsgründen vorteilhaft", sagt Blaszkiewitz. Mit Tierquälerei habe seine Methode nichts zu tun. Gerade für die morgendliche Pflege sei das Anketten vor allem der afrikanischen Elefantenbullen unumgänglich, betont er. Die Tierrechtler von "Elefanten-Schutz Europa" müssen bei solchen Argumenten nach Luft ringen: mehr Platz und dadurch mehr Auslauf würde die Aggressionen der Elefanten minimieren, und damit auch die für den Menschen schützenden Fußfesseln unnötig machen. Der Zoodirektor nüchtern: "Ich glaube, dass es als Disziplinierung und um zu zeigen wer die Alpha-Stellung inne hat, nach wie vor nicht unwichtig ist."

Eine Diskussion, die vielen unter die Haut geht. Nicht nur den Dickhäutern selbst.
Eine Diskussion, die vielen unter die Haut geht. Nicht nur den Dickhäutern selbst.Bild: Richard A. Fuchs

Vom Verhältnis zwischen Pfleger und Tier

Ankhor, Tembo, Louise, Frosja, Astra, Dashi, Lilak und die weiteren dreizehn afrikanischen und asiatischen Elefanten im Tierpark Berlin sollten so für das gemeinsame Leben geschult werden, sagt der Zoodirektor, der selbst früher Tierpfleger war. Recherchen des deutschen Boulevard-Blatts 'BILD' dürften ihm da äußerst ungelegen gekommen sein. Mit großen Titel-Buchstaben wurde ein Frontalangriff auf das Haltungskonzept des Zoodirektors organisiert: "Pfleger verprügelt Baby-Elefanten", hieß es da. Der Vorgang wurde sogar per Video festgehalten. Öffentliche Erklärungsversuche des Zoos gab es nicht, der Zoodirektor findet aber markige Worte zu seiner heutigen Personalsituation: "Wir hatten nicht zu wenig Pfleger, aber wir haben nicht die Qualität und die Durchsetzungsfähigkeit, wir mussten umstellen auf junge Leute, die bei den Elefanten noch nicht das 'Standing' haben."

Sei es Zufall, oder ebenfalls als Reaktion auf die ausgelöste Medienlawine: Das Haltungskonzept wurde verändert, so dass jetzt gerade für die aggressiveren afrikanischen Elefanten gar kein direkter Kontakt mehr zwischen Pfleger und Tier vorgesehen ist, zumindest bis auf Weiteres. So sollen in Zukunft Unfälle vermieden werden.

Der Herr der Berliner Großtiere - Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz
Der Herr der Berliner Großtiere - Zoodirektor Bernhard BlaszkiewitzBild: Richard A. Fuchs

Tierschützer animierte die Debatte um eine artgerechte Haltung von Elefanten im Berliner Tierpark, das Sprichwort 'Elefanten vergessen nie' mit in die Debatte zu werfen. Standfest hält Blaszkiewitz dieses Zitat aber nicht nur für unangebracht, sondern auch für falsch. "Das ist wie viele Sprichwörter mit wenig Wahrheitsgehalt behaftet", sagt er. "Elefanten haben ein gutes Gedächtnis, aber es ist nicht so: Der hat mir als Kind einen Apfel mit einer Nadel gegeben und 40 Jahre später haue ich ihn dafür um. Das ist Quatsch."

Der Zoo ist Surrogat und nicht Imitat

Mit verstreichen der Mittagszeit füllen sich dann auch wieder die Boxen im Dickhäuter-Haus des Tierparks Friedrichsfelde. Gemächlich schnappt sich Elefant um Elefant mit dem Rüssel eine gehörige Portion Gras, und Zoodirektor Blaszkiewitz versäumt es zum Abschied nicht, noch einmal auf sein Zooverständnis hinzuweisen: "Der Zoo ist Surrogat und nicht Imitat, der Zoo ist für den Menschen da, der Mensch hat ihn sich in seine urbane Umwelt geholt um Tiere und um natürliche Räume zu sehen. Und da kommt es nun nicht auf eine völlige Kopie an, sondern dass die Funktion erfüllt wird."

Autor: Richard Fuchs

Redakteurin: Judith Hartl