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Wie weiter mit der WTO?

Monika Hoegen22. Dezember 2005

Die WTO-Ministerkonferenz in Hongkong hat erneut Fragen zur Zukunft der Welthandelsorganisation aufgeworfen. Diese Debatten dauern in den Nichtregierungsorganisationen an

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Der WTO-Generaldirektor Pascal LamyBild: AP

Am Ende blieb nicht nur der Protest der Demonstranten auf der Straße in Erinnerung. Auch sonst waren viele, die bei dem Tagungsmarathon in Südostasien mit von der Partie waren, nicht zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis der WTO-Konferenz - vor allem nicht die Mehrheit der über 2000 Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt. Sie halten die Resultate für ein Minimalergebnis, das abermals die Entwicklungsländer benachteiligt. Die strukturellen, ungleichen Machtverhältnisse in der WTO seien nicht beseitigt worden. Deshalb wird der Ruf nach einem neuen, multilateralen Welthandelssystem immer lauter. Die Frage ist nur: Wie soll das aussehen?

Soziale Themen spielen keine Rolle

Bisher haben die transnationalen Konzerne viel zu viel Einfluss auf die Entscheidungen, die innerhalb der WTO gefällt werden, meint jedenfalls Susan George, Vertreterin von Attac. Während Weltbank, Internationaler Währungsfonds und die Welthandelsorganisation gewissermaßen globale Ministerien für Wirtschaft, Handel und Finanzen bildeten, so George, gebe es keine internationalen Ministerien für Gesundheit, Erziehung, Arbeit oder Gerechtigkeit. "Wir haben UNESCO, wir haben eine Weltgesundheitsorganisation, aber die haben nicht annähernd soviel Macht, wie es WTO, IWF oder die Weltbank haben", sagt sie. George fordert daher eine komplett neue Struktur des Welthandelssytems - was auch die Abschaffung der WTO oder die Neuformierung der WTO innerhalb des Systems der Vereinten Nationen bedeuten könnte.

Annan spricht zur Vollversammlung
Vollversammlung der Vereinten NationenBild: AP

Dass eine institutionelle Änderung allein nicht ausreicht, davon ist jedoch Barbara Unmuessig, Direktorin der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung überzeugt. "Die Vereinten Nationen sind ja der Zusammenschluss von Regierungen", sagt Unmuessig. Komme die WTO, also ein Welthandelsregime, unter die Fittiche der UN, stelle sich die Frage, ob sich dort nicht die gleichen Probleme wiederholen würden - nämlich große Interessenskonflikte zwischen ganz verschiedenen Exportnationen. "Was sind die richtigen Regeln? Für welche Zwecke sind die Regeln? Sind die Handelsregeln wirklich dazu da, soziale und ökologische

Standards zu befördern?" Diese Fragen würden bleiben.

Versagen der Zivilgesellschaft

Wichtig sei daher, über neue Regeln für nachhaltige und soziale Entwicklung nachdenken, so Unmuessig weiter. Sie kritisiert aber auch die eigenen Reihen, die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen. Viel zu oft nämlich jagten die nur einem Bösewicht hinterher, der gerade in Mode sei - in diesem Fall der WTO. Doch wenn man eine Neustrukturierung des Welthandels unter dem Dach der Vereinten Nationen fordere, dann müsse auch dieser Institution stärker auf die Finger geschaut werden. Bei den Diskussionen um die Reform der UNO etwa hätten sich die NGOs kaum eingeschaltet. "Da fand ich die Zivilgesellschaft doch ziemlich kläglich", sagt Unmuessig. "Die ist nicht wirklich aufgestanden und hat dafür gestritten, dass diese UNO wieder effektiv wird, dass sie Kraft hat, eben auch sich für globale öffentliche Güter einzusetzen."

Derweil fordern auch die kirchennahen Nichtregierungsorganisationen einen Umbau des Welthandelssystems hin zu mehr Gerechtigkeit zwischen der reichen Welt und den Entwicklungsländern. Rudolf Buntzel, Vertreter der europäischen Vereinigung der kirchennahen, protestantischen Organisationen, APRODEV, glaubt zum Beispiel, dass der Mini-Deal von Hongkong für die Armen nicht viel gebracht hat - diejenigen also, als deren Anwälte sich die kirchennahen Gruppen verstehen.

Fokus auf karitativer Hilfe

Diese müssten sich in Zukunft verstärkt in die Welthandels-Debatte einschalten, fordert Buntzel - und lässt dabei ebenfalls Selbstkritik vernehmen. "Wir sind ein Verstärker von den Stimmen der Zivilbevölkerung, der Organisation der Zivilbevölkerung", sagt Buntzel. "Nur sind die Kirchen nicht soweit, dass sie also bereit sind, viel Geld zu investieren in das so genannte Advocacy, also in die Lobbyarbeit." Noch immer seine die Kirchen stark auf karitative Hilfe fokussiert - und weniger auf politische Intervention.

Im Vergleich zu Organisationen wie Oxfam zum Beispiel könnten die kirchennahen Gruppierungen in internationalen Debatten kaum mithalten, so Buntzel weiter - auch aufgrund mangelnder Kapazitäten und Kompetenzen. So beschäftige Oxfam allein 40 wissenschaftliche Mitarbeiter - bei allen Entwicklungshilfeorganisationen in Deutschland zusammen seien es vielleicht gerade mal zehn. Und überdies würden die Kirchen bislang eher als Experten in Sachen Ethik wahrgenommen. Dass aber Handel etwas mit Ethik zu tun habe, das hätten weder die Regierung verstanden, noch die Kirche, glaubt Buntzel: "Mit einer einzigen Handelsmaßnahme kann viel mehr kaputt gemacht werden, als wir mit all den vielen kleinen Projekten in der ganzen Welt aufbauen können."