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Wie wird man ein guter Schriftsteller?

Silke Bartlick19. März 2005

1500 Veranstaltungen stehen auf dem Programm der diesjährigen Leipziger Buchmesse. Ein Novum: der Kongress zum literarischen Schreiben. Angehende Poeten aufgepasst!

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Schreiben lernen am Deutschen Literaturinstitut in LeipzigBild: Universität Leipzig

Angesichts der Flut von Neuerscheinungen, die auf dieser Leipziger Buchmesse (17.-20.3.2005) um die Gunst der Leser buhlen, fragt man sich gelegentlich schon, ob die vielen Autoren und Autorinnen alle Naturtalente sind. Oder kann man das Schreiben, wie manch andere Profession, vielleicht erlernen?

In Maßen schon, sagt Hans-Ulrich Treichel, Professor am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, das als einziges Universitätsinstitut in Deutschland ein Vollstudium für angehende Autoren anbietet: "Bei uns bewerben sich 600 Menschen, und davon nehmen wir 20. Das sind keine Autoren, die Schriftsteller werden wollen, sondern das sind schon Schriftsteller. Das sind junge Autoren, die in einem geschützten Raum mit kompetenter Betreuung an ihren Texten arbeiten wollen und Neues kennen lernen wollen."

Mal wieder Vorbild USA

Innerhalb Europas sind in den letzten zehn Jahren zahlreiche Schulen gegründet worden, die sich auf die Aus- und Weiterbildung von Schriftstellern konzentrieren. Vorbild sind dabei angelsächsische Modelle, denn in England und insbesondere in den USA ist das so genannte Creative Writing längst selbstverständlicher Bestandteil beinahe jeder Universität.

Der Bestseller-Autor John Irving beispielsweise hat den letzten Schliff in einem bereits in den späten 1930er-Jahren gegründeten Elite-Institut in Iowa bekommen. "Im amerikanischen Sprachraum gibt es ja mehrere Hundert dieser Creative-Writing-Institute, und die treffen einander einmal im Jahr und tauschen ihre Erfahrungen aus und das seit Jahrzehnten. Die sind sozusagen in der Diskussion dessen, was sie tun, auf einem wesentlich höheren Niveau. Und wir haben diese Diskussion gerade erst begonnen", sagt Treichel.

Zusammen mit dem Leiter des Leipziger Literaturinstituts, Josef Haslinger, hat er während dieser Buchmessentage zu einem ersten Internationalen Kongress für Literarisches Schreiben geladen. Der Zuspruch ist enorm. Aus Tschechien, Schweden, den USA, aus Russland, Norwegen und Österreich sind junge Autoren und Professoren angereist, um Lehrmethoden und unterschiedliche Schultypen vorzustellen.

Unsicher ist gut

Man möchte voneinander lernen, aber keineswegs zwischen Moskau und Prag Schreibschulen nach gleichem Muster anbieten. "Gerade im Zeitalter der Globalisierung, das ja auch kulturelle Vereinheitlichungen mit sich bringt, steht für uns die optimale Entfaltung des individuellen Textes im Vordergrund", sagt Treichel. "Bei uns werden in erster Linie Autoren aufgenommen, die in ihrem Schreiben zwar originell und interessant sind, aber gleichzeitig unsicher." Wer sich nicht reinreden lasse, bewerbe sich gar nicht erst, sagt Treichel. "Aber diejenigen, die unsicher sind, die an sich zweifeln, das sind die Interessanteren. Weil die die Bereitschaft haben, ihre Texte zur Disposition zu stellen."

Mann ließt Buch
Bild: DW

Bis in die 1980er-Jahre hinein waren von Autoren herausgegebene Literaturzeitschriften traditionelle Einstiegsmodelle in den Literaturbetrieb, sie waren Foren des Austausches und der Begegnung. Auf einem sich wandelnden Markt konnten sie sich allerdings nicht behaupten. Das Bedürfnis junger Autoren, sich in einem kompetenten Umfeld zu erproben, aber ist geblieben. Literaturinstitute und Schreibwerkstätten schließen diese Lücke.