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Wie wohnst Du denn?

21. Januar 2010

Möbelmessen zeigen Trends. Prima. Wir wollten wissen, ob Design auch in jungen deutschen Wohnzimmern eine Rolle spielt. Und was der Durchschnittsdeutsche so in seine gute Stube stellt. Oha!

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Nelson liegt im Wohnzimmer auf einem Teppich guckt in die Kamera (Foto: DW/ Marlis Schaum)
Nelson fühlt sich wohlBild: Marlis Schaum

Deutschland einig Möbelland. Keiner kauft mehr Möbel in Europa als die Deutschen. Laut dem Verband der deutschen Möbelhersteller hat jeder Deutsche statistisch gesehen im Jahr 2008 rund 362 Euro für die Einrichtung seiner Wohnung ausgegeben. Jochen hat seinen Anteil bei IKEA investiert – fast alles in seiner Zweizimmer-Einliegerwohnung in Bonn kommt vom schwedischen Möbelgiganten. Nicht umsonst macht der in Deutschland seinen besten Umsatz.

Hier dominiert die Farbe Weiß, damit Jochen auch etwas Buntes reinstellen kann Foto: DW/ Marlis Schaum)
Jochens gute StubeBild: Marlis Schaum

Praktisch besser als Design

Einfach, schlicht und praktisch müssen Möbel für Jochen sein, der als Referent bei einer politischen Stiftung arbeitet. IKEA ist für ihn die ideale Quelle, weil „es ein bisschen so ist wie mit McDonalds, man weiß, was man hat, auch wenn es jetzt standardisiert ist.“ Designer kennt Jochen keine, auf Flohmärkten nach einem individuellen Möbelstück stöbern, ist ihm zu zeitaufwändig und "praktisch ist besser als Design, wenn ich drauf sitze und denke ich bin im Museum, dann habe ich nichts davon." Den persönlichen Touch bekommt Jochens Wohnzimmer durch private Fotos und eine Flagge von einer Anti-Kriegs-Demo, nicht durch eine Bauhaus-Tischlampe von Wagenfeld.

Das durchschnittliche IKEA-Wohnzimmer im Museum (Foto: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg)
Der Deutschen liebste IKEA-MöbelBild: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Keine Funktion und überteuert

Bei so einer Bauhaus-Lampe könnte Anna dagegen kaum an sich halten. Hätte sie einige hundert Euro übrig, würde sie sich die sofort kaufen. Design ist ihr wichtiger als Funktion und "wenn es dann noch funktioniert, wunderbar, aber wenn mir jemand sagt, es ist praktisch, und es sieht total hässlich aus, würde ich es mir nie kaufen, niemals." Eine Grenze wäre für sie erst da, wo ein Möbelstück überhaupt keine Funktion mehr hat oder stark überteuert ist. Sie ist gerade mit Philipp in Köln in die erste gemeinsame Wohnung gezogen und hat dafür ihre Möbel mit seinen gemischt. Für neu kaufen fehlt noch das Geld.

Ein Bißchen IKEA, ein bißchen Flohmarkt und Überlassenschaften (Foto: DW/ Marlis Schaum)
Wohnzimmer von Anna und PhilippBild: Marlis Schaum

Schlichte Eleganz

Drei Zimmer, Altbau, Parkett und ein "geradliniger Stil mit ein bisschen Schnörkel"

Echte Designerstücke haben die beiden auch – als Leihgabe von Annas Eltern. Einen ausziehbaren Servierwagen aus Metall auf Rollen zum Beispiel. Ein Entwurf der Designer Antonio Citterio und Glen Oliver Loew. Kostet knapp über 500 Euro.

Möbel kaufen braucht Zeit, finden Anna und Philipp. Sie kaufen gezielt nur das, was nötig ist, "das meiste läuft einem ja über den Weg", sagen sie. Wenn man losgehe um was Schönes zu finden, "dann landet man eher da, wo es Designersachen gibt."

Das Sofa ist nicht nur aus Leder, weil sie es schick finden, sondern auch, weil man dann klebrige Kinderhändeabdrucke leicht abwaschen kann(Foto: DW/ Marlis Schaum)
Jennifers WohnzimmerBild: Marlis Schaum

Dagegen wurde alles, was im Haus von Jennifer und ihrem Mann steht, auf einen Schlag gekauft. Zehn Möbelhäuser haben die beiden dafür durchforstet, vor allem nach dem Motto "IKEA, nein danke" und erstmal ohne auf den Preis zu achten. Sie wollten Qualität, aber keine teuren Designermöbel. Überhaupt hat Jennifer mit Design ebenso wenig am Hut wie Jochen in seiner Singlebude in Bonn. "Ich interessiere mich nicht für Design, ich kenne keine Möbeldesigner," sagt Jennifer, "ich blättere auch keine Kataloge. Mir ist schon das Design des einzelnen Möbelstücks sehr wichtig, aber es ist mir egal, wer es entworfen hat."

Wegen Nelson hat Jennifer alle Dekorationselemente in der Wohnung erst ab einem Meter Höhe aufgebaut (Foto: DW/ Marlis Schaum)
Jennifer und Sohn NelsonBild: Marlis Schaum

"Schlichte Eleganz und pflegeleicht", so beschreibt Jennifer ihren Einrichtungsstil, Design ohne Funktion käme ihr nicht ins Wohnzimmer. Allerdings wäre sie bereit für das, was ihr wirklich gefällt auch entsprechend zu zahlen. Die klassische Schrankwand, die sie in einer modernen Variante hat, steht übrigens laut Statistik im deutschen Durchschnittswohnzimmer

Durchschnitt in Deutschland

So sieht es aus im deutschen Durchschnittswohnzimmer. Von hochpreisiger Designerware keine Spur/ (Foto: Jung von Matt, Hamburg)
Deutschlands häufigstes WohnzimmerBild: Jung von Matt, Hamburg

Eine Schrankwand mit Innenbeleuchtung, ein Couchtisch aus Glas, eine Polstergarnitur in Beigetönen und ein Kunstdruck an der Wand – so sieht "Deutschlands häufigstes Wohnzimmer" aus. Es ist ein Projekt der Werbeagentur Jung von Matt in Hamburg. Seit 2004 sammelt sie regelmäßig Verkaufsstatistiken, unter anderem vom Verband der deutschen Möbelhersteller und Baumärkten, und führt eigene qualitative Interviews mit Familien, die laut Statistik als deutsche Durchschnittsfamilien gelten. Von Jahr zu Jahr wird das Wohnzimmer den statistischen Einrichtungstrends angepasst. Große Veränderungen gab es seit 2004 aber nicht. Immerhin kauft sich der Durchschnittsdeutsche laut Statistik auch nur alle acht bis zehn Jahre ein neues Sofa.

Autorin: Marlis Schaum

Redaktion: Conny Paul