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Wieder eine Gandhi

14. Mai 2004

Damit hatte niemand gerechnet: Ausgerechnet eine Frau italienischer Herkunft hat die politische Bedeutungslosigkeit von Indiens ältester Partei beendet und einen Machtwechsel herbeigeführt. Sonia Gandhi im Porträt.

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Sonia Gandhi: Premierministerin italienischer HerkunftBild: AP


Lange hatte sie sich geziert, am Ende erlag sie dem Appell an die Familienehre: In drei aufeinanderfolgenden Generationen führte die Nehru-Gandhi-Dynastie das Land: zunächst unter Jawaharlal Nehru, Indiens erstem Premierminister, dann unter dessen Tochter Indira Gandhi, schließlich unter Enkel Rajiv. Als der Kongresspartei das Wasser bis zum Halse stand, übernahm Sonia Gandhi im März 1998 nach langem Sträuben den Vorsitz. Seit der Ermordung ihres Mannes Rajiv 1991 hatte sie immer wieder verkündet, allein ihr Nachname verpflichte sie keineswegs, sich für indische Politik zu interessieren. Doch der Name wog schwerer und garantierte ihr andererseits von Anfang an Popularität - trotz ihrer ausländischen Herkunft.

Mohandas Gandhi and Jawaharlal Nehru
Mahatma Gandhi and Jawaharlal NehruBild: AP

Familienbande

Die nahe Turin geborene Tochter einer italienischen Mittelstandsfamilie lernte ihren Mann Rajiv im britischen Cambridge kennen und folgte ihm nach Indien. Das Paar heiratete 1968 und zog in bester indischer Tradition in das Haus der Schwiegermutter - der Premierministerin Indira Gandhi. Sonia lernte die Sprache Hindi und machte sich mit den indischen Traditionen vertraut. Nach und nach tauschte sie ihre westliche Garderobe gegen traditionelle indische Kleidung ein, die sie inzwischen ausschließlich trägt.

Nach dem Unfalltod von Rajivs Bruder Sanjay im Jahre 1980 versuchte sie verzweifelt, ihren Mann von der Politik fernzuhalten. Doch Rajiv Gandhi konnte sich den Erwartungen nicht entziehen. Als drei Jahre später Indira ermordet wurde, trat der Sohn in ihre Fußstapfen. Nach seiner Ermordung wuchs der Druck auf Sonia, nun selbst politisch aktiv zu werden und die Führung der Kongresspartei zu übernehmen. Doch die Witwe widersetzte sich, zog sich völlig zurück und widmete sich ganz ihren beiden Kindern und der Erinnerung an ihren Mann.

In den Fußstapfen der berühmten Schwiegermutter

Als dem Kongress Anfang 1998 ein erneutes Wahldebakel drohte, gab Sonia Gandhi ihr stilles Leben auf und warf sich in den Kampf. Schier unermüdlich hielt sie Reden und schüttelte Hände auf Massenveranstaltungen im ganzen Land, wo oft ihr bloßes Erscheinen schon für Begeisterung sorgte. Ihrem Einsatz wurde zugeschrieben, dass die Partei zunächst vom vorhergesagten Untergang verschont blieb. Dennoch konnte auch sie nicht verhindern, dass die Partei bei der Parlamentswahl ein Jahr später das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte einfuhr.

Indira Gandhi
Indira GandhiBild: AP

Auch jetzt wieder war es Gandhi, die sich allen Unkenrufen zum Trotz vehement für ihre Partei vor den Karren spannte. Seit Januar führte sie einen unerbittlichen Wahlkampf, besuchte quasi alle 28 Bundesstaaten, um dem Slogan der Regierungspartei BJP die Forderung ihrer eigenen Kongresspartei nach "Reformen mit menschlichem Antlitz" entgegenzusetzen. "Im Grunde war sie die Einzige, die sich überhaupt für den Kongress ins Zeug legte", sagt jetzt Gandhis Biograf Rasheed Kidwai. Wie keinem anderen Politiker sei es ihr gelungen, die weiblichen Wähler auf ihre Seite zu bringen, kommentiert der Politikwissenschaftler B.G. Verghese. In dieser Hinsicht sei sie durchaus mit ihrer Schwiegermutter zu vergleichen. Auch in ihrem Redestil habe sie sich inzwischen Indira Gandhi angenähert. Ob die Parallelen noch weiter gehen, wird sich jetzt zeigen. (afp)