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Wieder Land in Sicht

Godehard Weyerer28. Juni 2005

Die Konkurrenz in der Schiffbauindustrie ist stahlhart. Firmen in Fernost halten einen Großteil dieses Marktes fest im Griff. Deutsche Werften haben es dagegen zwar schwer, haben aber die tiefste Krise überwunden.

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Made in Papenburg: Kreuzfahrtschiff "Norwegian Dawn"Bild: AP

Wer arbeiten will, muss zahlen: So geschehen auf der SSW-Werft in Bremerhaven an der deutschen Nordseeküste. Wer dort beschäftigt werden will, hat 3000 Euro in die Kasse einer Mitarbeiter-Beteiligungsgesellschaft einzuzahlen. Der Hintergrund: Der in Konkurs geratenen Werft soll so ein Neuanfang ermöglicht werden. Erste Aufträge sind nun wieder unter Dach und Fach. Ein Fall, typisch für die deutsche Schiffbau-Industrie: Nach Krise und massivem Stellenabbau sind die Auftragsbücher für die nächsten Jahre wieder voll.

Verhalten optimistisch

Die Meyer-Werft in Papenburg ist das Aushängeschild der Wirtschaft im Emsland. Nicht nur wegen der beiden Schiffbauhallen, 35 Meter hoch, 300 Meter lang, in denen selbst die größten Kreuzfahrtschiffe mühelos Platz finden. Die Meyer-Werft hält dem globalen Wettbewerb stand. Die Verträge für zwei Neubauten waren im Oktober vergangenen Jahres unter Dach und Fach. Anfang Mai hat die US-amerikanische Reederei "Norwegian Cruise Line" ein neues Kreuzfahrtschiff bestellt, das im Oktober 2007 fertig gestellt werden soll.

Firmensprecher Peter Hackmann erläutert die Situation der Meyer-Werft: "Wir haben eigentlich eine ganz gute Auftragssituation, auch wenn wir in den nächsten Jahren noch Kapazitäten haben."

Harte Jahre im Schiffbau

Gegen Konkurrenten aus Finnland, Italien, Frankreich, aber auch aus Südostasien konnte die Meyer-Werft sich durchsetzen, sagt Hackmann und bekräftigt zugleich, dass die Personalkosten wie ein Damoklesschwert über dem Betrieb hängen. 2100 Schiffbauer arbeiten auf der Werft, vor zwei Jahren wurden 500 Beschäftigte auf die Straße

gesetzt.

Deutsche Werften seien durch ein tiefes Tal der Tränen gegangen, bestätigt Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Bremen. Zur glorreichen Zeit der Vollbeschäftigung waren 400.000 Menschen auf Deutschlands Werften beschäftigt; heute sind es gerade noch 20.000. Die Kapazitäten sind drastisch abgebaut worden. Aber erfreulicherweise, sagt Hickel, habe sich die Lage vor ein, zwei Jahren verändert. In Deutschland werden auch wieder Containerschiffe gebaut.

Subventionen und Personalabbau

Hickel sagte dazu: "Wenn ich etwa HDW, die Kieler Werft, anschaue, dann weiß ich, dass da zurzeit vier Containerschiffe gebaut werden, aber die Kosten sind eigentlich nicht konkurrenzfähig zu Südkorea. Das heißt, einmal hilft die Werfthilfe weiter, und zweitens haben die Beschäftigten auf Arbeitseinkünfte verzichtet."

Sechs Prozent des Auftragsvolumens hat bislang der Staat über die Werftenhilfe zugeschossen. Personalabbau, unbezahlte Mehrarbeit und Kürzungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld taten ein Übriges. Doch in China und Vietnam warten Konkurrenten mit noch niedrigerem Lohnniveau. Und in Deutschland sind Ende März die Schiffbauhilfen ausgelaufen. Der Druck auf die Werftarbeiter wird weiter zunehmen. Die SSW-Werft in Bremerhaven, wo Mitarbeiter sogar Geld mitbringen müssen, ist dafür nur ein Beleg. Betriebsratsvorsitzender Dieter Seidel erklärt diesen kuriosen Fall: "Die Belegschaft der SSW Fähr- und Spezialschiffbau GmbH hat letztes Jahr auf einer Belegschaftsversammlung den Beschluss gefasst, sich an einer neuen SSW-Shipyard zu beteiligen. Hintergrund war, dass wir die neue Firma aktivieren wollten, und in dem Sinne sollte sich jeder mit einem Betrag von 3.000 Euro an der zukünftigen SSW beteiligen."

Zahlen ohne Jobgarantie

Welche Gegenleistung bringt die Einlage? Auf jeden Fall keine Arbeitsplatzgarantie. Und wer aus dem Betrieb ausscheidet, hat keinen Anspruch auf sein eingezahltes Geld, es sei denn, ein Kollege, der neu eingestellt wird, zahlt ihn aus. Dem Gewerkschafter Heino Bode, Leiter des IG Metall-Bezirks Küste, erscheint die ganze Sache ohnehin recht suspekt: "Das hat es bisher nirgendwo gegeben und ist keine IG-Metall-Regelung. Das ist aber nie justitiabel in irgendeine Betriebs- oder Tarifvereinbarung mit der IG Metall gegossen worden und basiert meiner Ansicht nach auf einer illegalen Einzelvereinbarung, durch die der jetzige Geschäftsführer versucht, von den Arbeitnehmern ein wenig zu erpressen."

Der Belegschaft der Bremerhavener SSW-Werft scheinen allerdings die Hände gebunden zu sein. Welche Alternativen böten sich ihnen an? Der Gang zum Arbeitsamt? Trotz aller bereits erfolgten bzw. noch möglichen Kürzungen und Einschnitte im Bereich Personalkosten ist dem Lohnniveau in Südkorea, geschweige denn in China oder Vietnam, wenig entgegenzusetzen. Derzeitiger Standortvorteil ist die höhere Produktivität auf deutschen Werften, die bessere Qualifizierung ihrer Mitarbeiter und die Innovationsfähigkeit des Standortes Deutschlands. Das hält zurzeit die deutschen Werften über Wasser. Eine Garantie, dass sie in fünf Jahren international noch konkurrenzfähig sein werden, ist dies nicht.