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Wiedergutmachung für ungarische Juden

12. August 2002

– Budapest bereit, "offene Wunden zu heilen"

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Budapest, 12.8.2002, PESTER LLOYD, deutsch, Endre Verkonyi

Von Justizminister Péter Bárándy erhielten wir das feste Versprechen, dass den gesetzwidrigen Zuständen ein Ende bereitet wird und das Budget 2003 eine entsprechende Summe zur Wiedergutmachung für Juden enthalten werde, erklärte uns Péter Tordai, der Vorsitzende des Bundes Jüdischer Glaubensgemeinschaften. Auch ein Gesetz gegen den Antisemitismus soll verabschiedet werden.

Das Parlament beschloss vor zehn Jahren das Gesetz, wonach Personen "die in den vorangehenden Regimen" (also auch in der kommunistischen Ära) aus politischen Gründen willkürlich ihrer Freiheit beraubt worden waren, eine Wiedergutmachung in der Höhe von einer Million Forint erhalten sollen. Das betraf jedoch nur Personen, die Urteile ungarischer Gerichte erleiden mussten (wie etwa nach dem Volksaufstand von 1956) – also bezog es sich nicht auf die zu Hunderttausenden deportierten ungarischen Juden bzw. ihre Hinterbliebenen. Nach einer Stellungnahme des Verfassungsgerichts wurde etwas spät (1997) der Kreis der Betroffenen entsprechend ausgeweitet, doch die Höhe der Entschädigung wurde damals nicht festgelegt.

So kam es dazu, dass 1999 das Parlament eine Summe von 30.000 Ft. (ca. 122,7 Euro - MD) für die Hinterbliebenen der deportierten Juden bestimmte. Die Glaubensgemeinschaft protestierte gegen diese beschämend niedrige Summe und das Verfassungsgericht annullierte darauf diese Bestimmung. 2000 begann die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes, das jedoch bis heute nicht ins Hohe Haus kam, obwohl sich auch die Orban-Regierung zu einer Regelung der Angelegenheit verpflichtet hatte.

Unlängst besuchte Israel Singer, der Vorsitzende des Jewish World Congress, Budapest. Er wurde auch von Ministerpräsident Peter Medgyessy empfangen. Singer sagte, dass er nach dem Gespräch von der Absicht der neuen ungarischen Regierung überzeugt ist, die noch ausstehenden Fragen abschließen zu können und damit offene Wunden zu heilen.

Tordai traf dann vor kurzem mit dem neuen Justizminister und dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Istvan Szalay, zusammen. Eines ihrer Themen war die Wiedergutmachung an die Hinterbliebenen der Opfer des Holocaust. "Unserer Meinung nach hätten die Berechtigten spätestens 1997 eine angemessene Summe erhalten sollen", meinte der Vorsitzende. "Nachdem damals 300.000 Ft. (ca. 1227,4 Euro - MD) pro Person in Aussicht gestellt worden waren, streben wir nun eine valorisierte Summe von 500 – 550.000 Ft. ( ca. 2045,2 – 2249, 8 Euro - MD) an."

Auf die Frage, ob man über die immer aggressiveren Attacken seitens der radikalen Rechten, über das offene Verleugnen des Holocaust gesprochen habe, sagte der Vorsitzende der Glaubensgemeinschaften: "Wir empfanden eine höchstmögliche Übereinstimmung in diesen Fragen mit den Herren von der Regierung.

Wir erhielten auch das Versprechen, dass ein Gesetz gegen Rassenhetze vor das Parlament gebracht wird, in dem auch das Verleugnen des Holocaust als eine Straftat gegen die Allgemeinheit eingestuft wird. Die Vertreter der Regierung sprachen im übrigen mit Anerkennung über die Tatsache, dass die jüdische Glaubensgemeinschaft sich von der Tagespolitik - insbesondere auch während der Wahlen - ferngehalten hat. Es ist auch ein unverändert wichtiger Standpunkt, dass unsere Glaubensbrüder erwachsene Menschen sind, die nach eigenem Ermessen ihre Stimmen abgeben und die Glaubensvertretung da überhaupt nicht hineinreden kann und will. Unser Gebiet ist der Glauben und die Tempel, und diese halten wir von der Politik fern", meinte dazu Singer.

Peter Tordai und andere Vertreter der ungarischen Juden nahmen übrigens unlängst in Luxemburg an der Sitzung der Jewish Claims Conference – als einzige Geladene aus Osteuropa- teil. Den Mittelpunkt der Beratungen bildete die Angelegenheit der deutschen Wiedergutmachungen an die Juden, die auch Berechtigte in Ungarn betreffen.

Man verhandelte u.a. über eine Erhöhung der Rentenergänzungen von monatlich 125 Euro für jene, die in Ungarn leben. Ihre Schicksalsgenossen, die in westeuropäischen Ländern leben, erhalten von Anfang an eine doppelt so hohe Zuwendung. Diese Diskrepanz soll in den nächsten zwei Jahren behoben werden. (fp)