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Flüchtlingslager in Nordgriechenland geräumt

Panagiotis Kouparanis10. Juni 2016

Nach Idomeni leert die griechische Polizei auch die anderen informellen Camps. Unabhängig davon versuchen immer noch Flüchtlinge illegal über Mazedonien in die EU zu gelangen. Teilweise stellen sie sogar Rekorde auf.

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Zerstörung der leeren Zelte durch einen Bagger (Foto: DW/P. Kouparanis)
Bild: DW/P.Kouparanis

Erst gingen die Menschen, dann kam der Bagger und beseitigte alles, was an sie erinnert hätte. Monatelang lebten rund 50 syrische Jesiden auf dem Gelände der BP-Tankstelle kurz vor der griechisch-mazedonischen Grenze unweit von Idomeni. Sie hatten es sich häuslich gemacht - so weit es ging. Sie hatten sich Zelte gebaut, Sitz- und Schlafgelegenheiten geschaffen, das gemeinsame Essen zubereitet. Hilfsorganisationen hatten sie mit dem Nötigsten versorgt.

Am Donnerstagvormittag ließen sie alles hinter sich. Mit dem Allernötigsten bestiegen sie einen Bus, der sie in das offizielle Flüchtlingslager Diavata bei Thessaloniki brachte. Das sei kein menschenwürdiges Leben hier gewesen - vor allem nicht für Frauen und Kinder, sagt Idris, der eine Art Sprecher der Gruppe ist. Deshalb habe man das Angebot der griechischen Behörden akzeptiert.

Eine Gruppe von rund 50 syrischen Jesiden steigt in den Bus ein (Foto: DW/P. Kouparanis)
Eine Gruppe von rund 50 syrischen Jesiden steigt in den Bus einBild: DW/P.Kouparanis

Zwei von drei Camps fast leer

Sechs Tage schon kommen täglich Busse zur BP-Tankstelle und zum Gelände des gegenüberliegenden Hotels Hara. Sie haben den Auftrag, die hier seit Monaten zeltenden Menschen in offizielle Aufnahmecamps zu bringen. Insgesamt seien es bisher rund 500 Männer, Frauen und Kinder, heißt es bei der zuständigen Polizeipressestelle. Auf die Aussage hin, dass sich auf dem BP-Gelände vielleicht noch 100 Flüchtlinge von den einst über 800 aufhalten und auf dem Hotel-Areal rund 200 von den vormals fast 900, reagiert man erstaunt. Die Zahlen "verändern sich dynamisch", da sei ein ständiges Kommen und Gehen, lautet die etwas hilflose Antwort. Erklärter Wille der Regierung bleibe aber, alle informellen Lager aufzulösen. Das betreffe auch das 20 Kilometer entfernte Camp auf dem Gelände der EKO-Tankstelle.

So ganz mag man das nicht glauben. Der Alltag der über 1500 Menschen dort ist dank der Hilfsorganisationen und der internationalen Helfer gut organisiert. Essen, medizinische Versorgung und auch hygienische Verhältnisse dürften kaum schlechter als in den Aufnahmelagern sein. Sogar Schulunterricht wird hier gegeben. Spanische Helfer unterrichten vormittags Kinder auf Englisch und am Nachmittag Erwachsene.

Schulunterricht von Flüchtlingskinder auf dem wilden Camp der EKO-Tankstelle Griechenland (Foto: DW/P. Kouparanis)
Schulunterricht für FlüchtlingskinderBild: DW/P.Kouparanis

Sanfter Druck der Polizei lässt die Versorgung stocken

Doch die Ruhe trügt. Letztendlich werden sie das Camp verlassen. Spätestens dann, wenn die Polizei massiv Präsenz zeigt. Sie wendet keine Gewalt an, sagt eine deutsche Flüchtlingshelferin im Hotel Hara. Durch Abriegelungen des Geländes sei an manchen Tagen die Versorgung ins Stocken geraten. Danach waren vor allem Familien bereit, sich wegbringen zu lassen. Wenn die Ersten gehen, dann sei der Damm gebrochen.

Doch nicht alle gehen. Jedenfalls nicht diejenigen aus dem Maghreb, nicht die Afghanen und nicht die Pakistaner. Sie alle haben kaum Anspruch auf Asyl. "Also, wohin sollen wir gehen", fragt Mohamed, der aus Lahore stammt? In den offiziellen Aufnahmelagern drohe ihnen die Abschiebung. Mit rund 30 anderen lebt er in einem leer stehenden zweistöckigen Gebäude nahe der Grenze, das früher mal eine Pension war. Einen Plan wie es weitergeht, habe man nicht.

Die Flucht in die EU hält an

Ganz anders Esat. Der Syrer will nach Westeuropa - komme was wolle. Erst vor zweieinhalb Wochen sei er über die Ägäis auf die griechische Insel Chios gelangt, danach sei er über Piräus bis an die griechisch-mazedonische Grenze zur BP-Tankstelle gefahren. Hier habe er vier junge Männer aus Algerien kennen gelernt, die das gleiche Ziel wie er haben. Montag in der Nacht haben sie die Grenze überquert. Kurz nach dem Übertritt habe sie die mazedonische Polizei aufgegriffen. Man habe sie zum Grenzzaun gebracht und gezwungen auf griechisches Gebiet zurückzukehren.

"Das ist nicht erlaubt", entfährt es ihm, "das ist illegal." Trotz dieser Erfahrung sei er nicht entmutigt. In einer der nächsten Nächte wird er wieder über die Grenze gehen. Diesmal werde aber ein Taxi warten. Für 400 Euro pro Kopf bringe es sie bis an die mazedonisch-serbische Grenze. Von Serbien aus sei es einfacher in die EU zu gelangen - vor allem nach Ungarn.

Mindestens 16 Mal aufgeschnappt und zurückgeschickt

Wenn man das nötige Geld hat, dann kann man auch direkt dorthin gebracht werden. Für die Fahrt von der griechischen Grenze verlangen Schlepper zwischen 900 und 1200 Euro. Die wollte der gelernte Dachdecker Halid bislang nicht ausgeben. Fünf mal habe er in den letzten Wochen die griechisch-mazedonische Grenze überquert und jedes Mal sei er erwischt worden. Rekordverdächtig sei das nicht. Den halte ein anderer Syrer: Mindestens 16 Mal sei er bislang nach Mazedonien gelangt und jedes Mal sei er erwischt und zurückgeschickt worden. Das sind keine Einzelfälle. Auch die griechische Polizei bestätigt, dass man fast täglich Menschen daran hindert, die Grenze zu Mazedonien zu überqueren.

Nichtsdestotrotz, die illegalen Fluchtversuche gehen weiter. Auch Halid wird es weiterhin versuchen. Sein Ziel ist Spanien. Dort leben schon viele Verwandte und die junge Frau, die er heiraten möchte. Deshalb werde er diesmal an die Schlepper zahlen. Glaubt er denn wirklich, er werde es bis nach Spanien schaffen? "Sicher", antwortet er, ohne auch nur im Geringsten zu zögern.