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Willkür in Aschgabad

Vladimir Müller4. Juli 2003

Die Regierung in Turkmenistan geht mit harten Maßnahmen gegen Russen vor. Sicherheitsbehörden haben damit begonnen, Angehörige der russischen Minderheit aus ihren Wohnungen zu vertreiben und diese zu beschlagnahmen.

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Russen unerwünscht: der turkmenische Präsident Saparmurat NiyasowBild: AP

Arkadij Dubnow, russischer Journalist und Zentralasien-Experte der Carnegie-Stiftung, bestätigt, was die Deutsche Welle (DW) vor einer Woche aufdeckte. "Sobald die Wohnungen einige Tage leer stehen, dringen die turkmenischen Sicherheitskräfte ein, indem sie schon mal die Türen aufbrechen. Dann fangen sie an die Sachen aus dem Fenster zu werfen und besetzen die Wohnungen."

Betroffen sind rund 100.000 Bürger russischer Abstammung, die sowohl die russische als auch die turkmenische Staatsangehörigkeit besitzen. Vor einer Woche sollten sie sich für einen der beiden Pässe entscheiden. So sieht es ein Erlass des Präsidenten Saparmurat Nijasow vor, des mit absoluter Macht regierenden "Turkmenbaschi" ("Vater aller Turkmenen"), wie sich Nijasow nennt.

Die Qual der Wahl

Ein bitteres Los denn: Ohne turkmenischen Pass dürfen viele Doppelstaatler in ihrer Heimat keine Immobilien mehr besitzen. Als turkmenische Bürger aber können sie das Land nur noch mit schwer erhältlichen Ausreisevisa verlassen. Deshalb haben sich viele Betroffene bereits dafür entschieden, das Land für immer zu verlassen. Nun müssen sie feststellen, dass ihr Besitz beschlagnahmt wird.

Bei den turkmenischen Rechtsschutzorganen gebe es eine nicht öffentliche Regel, 50 Prozent des beschlagnahmten Eigentums für sich zu behalten, sagte Larissa Schimuradowa, Schwester des ehemaligen Premierministers des Landes und heutigen Oppositionsführers Boris Schichmuradow, der russischen Zeitung "Isvestija". Da sei es kein Wunder, dass sie die Konfiszierung mit so viel Eifer betreiben.

"Turkmenistan gekauft"

Der Erlass zur Staatsbürgerschaft ist eigentlich die Folge eines Abkommens zwischen Nijasow und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. In Frühjahr dieses Jahres vereinbarten sie die Aufhebung der doppelten Staatsangehörigkeit auf beiden Seiten. Gleichzeitig schlossen sie ein milliardenschweres Gasabkommen ab.

Der Berliner Politologe und Russlandexperte Alexander Rahr erklärt, in diesem Vertrag sei festgeschrieben, dass das turkmenische Gas das Land ausschließlich über Russland verlassen werde. "Auf diese Weise hat Russland Turkmenistan in gewissem Sinne 'gekauft', musste aber im Gegenzug Zugeständnisse bei der doppelten Staatsbürgerschaft machen. Ich glaube, Putin wird abwarten, wie die Situation sich entwickelt. Das Wichtigste für ihn ist, das Gas-Geschäft mit Turkmenistan nicht zu vermasseln", meint Rahr.

Duma eingeschaltet

Inzwischen beginnt das Vorgehen der turkmenischen Regierung aber zumindest das russische Parlament, die Duma, zu beschäftigen. Viele Betroffene haben den Schutz des russischen Staates gefordert. So erklärte der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten, Dmitrij Rogosin, das Abkommen über die doppelte Staatsbürgerschaft gelte nicht rückwirkend. Deshalb sei Turkmenbaschi nicht berechtigt, die russischen Bürger aufzufordern, auf die turkmenische oder die russische Staatsbürgerschaft zu verzichten. Notfalls müsse Moskau eine härtere Gangart gegenüber der turkmenischen Regierung fahren.

Auch Johannes Friesen, Leiter der GUS-Abteilung der Internationalen Menschenrechtsgesellschaft in Frankfurt am Main, glaubt das dies nötig sei: "Die einzige Möglichkeit, die Situation zu ändern, sind nicht nur wirtschaftliche Sanktionen gegenüber Turkmenistan, sondern die internationale Isolierung Turkmenistans." Wenn die Duma sich mit einer verfassungsmäßigen Mehrheit zu einem Beschluss durchringt, könnte sich auch die russische Regierung darauf einlassen, meint Friesen.