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"Wir brauchen Innovationen aus Europa"

Andreas Becker27. Oktober 2015

Ein deutsch-französischer Aktionsplan will die Chancen für Internet-Startups aus Europa verbessern. Voraussetzung ist die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes, sagt Professor Tobias Kollmann im DW-Gespräch.

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Symbolbild Internetwirtschaft
Bild: Fotolia/Matthias Buehner

Herr Professor Kollmann, warum haben europäische Internet-Startups oft wenig Chancen gegen die Konkurrenz aus den USA und aus Asien?

Startups aus den USA und auch aus Asien haben in ihren eigenen Regionen einen viel größeren Binnenmarkt. In den USA sind das 320 Millionen Einwohner. Wir in Europa sind wir noch zu sehr auf die einzelnen Länder fixiert - ein deutsches Startup möchte den deutschen Markt erobern, ein französisches den französischen. Das ist zu kleinteilig, so kommen wir nicht weiter.

Sie fordern mit französischen Kollegen die Schafftung eines europäischen Binnenmarkts für die Digitalwirtschaft. Was hindert denn ein deutsches Startup, auch in Frankreich aktiv zu werden? Den Binnenmarkt gibt es doch längst.

Nein, es gibt ihn weder in den Köpfen noch in den Regularien. Wenn ein Startup außerhalb der Grenzen seines Landes aktiv werden will, muss es eine ganze Reihe an Regeln und Gesetzen berücksichtigen - denken wir nur an die unterschiedliche Erhebung der Umsatzsteuer in den einzelnen Ländern Europas. Das ist aufwendig, insbesondere für junge und kleine Unternehmen, die sich am Anfang noch kein Heer von Beratern leisten können.

Prof. Tobias Kollmann
Professor Tobias Kollmann, Universität Duisburg-EssenBild: privat

Europäische Startups richten ihr Geschäft erst viel zu spät international aus. Am Anfang fehlt ihnen meist das Geld, um schnell zu wachsen. Anders als in den USA ist der Markt für Venture Capital, also die Finanzierung für junge Unternehmen, in Europa noch sehr uneinheitlich. Dieses Risikokapital ist in Europa nicht so stark vorhanden und dann auch noch über die einzelnen Länder verteilt.

Es gibt knapp über 100 sogenannte Unicorns, das sind Startups, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden, aber noch nicht an der Börse notiert sind. Davon kommen nur 13 aus Europa, aus Deutschland sind es vier.

Der Aktionsplan wurde bei einer deutsch-französischen Konferenz zur digitalen Wirtschaft den Wirtschaftsministern beider Länder überreicht. Im Silicon Valley scheint man ohne solche politischen Konferenzen auszukommen.

In Europa ist ein politischer Startschuss sehr wichtig. Von daher halte ich solche Veranstaltungen und auch diese Konferenz für wichtig, um sich abzustimmen und die Kräfte zu bündeln. Am Ende muss es dann aber auch konkrete Maßnahmen geben, damit sich wirklich etwas ändert.

Was sind die wichtigsten Dinge, die sich ändern sollten?

Wir brauchen vor allem mehr digitale Kompetenzen, das Thema muss in die Schulen und in die Hochschulen. Zweitens sollten Startups, die sich in Europa gründen, von Anfang an die Möglichkeit haben, in anderen Ländern aktiv zu werden, damit Innovationen entstehen.

Wir brauchen einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen, damit Startups in allen Ländern unter den gleichen Bedingungen antreten können und nicht in jedem Land neu klären müssen, was sie dort zu berücksichtigen haben.

Und schließlich brauchen wir gut vernetzte Business Angels in Europa, also private Investoren. Es sollte egal sein, wo eine Idee entsteht – ob in Schweden, in Spanien oder in Italien. Wichtig es, dass die Startups auch finanziert werden.

 

Tobias Kollmann ist Professor für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen. Als Vorsitzender des Beirats Junge digitale Wirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium hat er am deutsch-französischen Aktionsplan mitgewirkt, der bei der Konferenz zur digitalen Wirtschaft in Paris vorgestellt wurde. Das Gespräch führte Andreas Becker.