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Selbstkritische Töne

7. August 2009

In Bethlehem geht der erste Parteitag der Fatah seit 20 Jahren zu Ende. DW-WORLD sprach mit Jamal Nazzal, dem Sprecher der Fatah, über alte Garden, die Suche nach Einheit und Verschwörungstheorien rund um Arafats Tod.

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Jamal Nazzal, Medienberater der Fatah (Foto: dpa)
Will Gespräche mit der Hamas: Jamal NazzalBild: picture-alliance/ dpa

Sie wollten auf dem ersten Fatah-Parteitag seit 20 Jahren Einigkeit demonstrieren. Dann wurde die Veranstaltung wegen interner Streitigkeiten verlängert. Ist Einigkeit nicht möglich?

Es ist nicht so einfach, wenn sich eine Familie nach einer so langen Zeit der Trennung wieder trifft und diese Familie auch noch so groß ist; 2000 Delegierte ist keine kleine Zahl. Und wenn sie aufeinander treffen nach so vielen Jahren, in denen es keine interne Diskussion gab, dann gibt es Diskussionen und die Atmosphäre ist etwas gespannter. Aber jeder, der etwas beitragen wollte, durfte zu Wort kommen und das hat dazu beigetragen, dass die Stimmung immer ruhiger wurde und ich denke, dass wir zu einem guten Ende des Parteitages finden werden und dass wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben, bestimmt erreichen werden. Es war auf jeden Fall eine gute Gelegenheit für die Mitglieder zu diskutieren, so wie sie es die ganzen Jahre nicht konnten.

In Europa hat die vor allem die Aussage Abbas’ für Aufmerksamkeit gesorgt, in der er sich zum Friedensprozess bekennt und trotzdem die Möglichkeit des Widerstandes offen lässt. Warum so vage?

Der Widerstand ist völkerrechtlich anerkannt: Ein unterdrücktes Volk, das gegen seinen Willen regiert wird, darf sich wehren; kein Mittel ist verboten. Aber wir setzen auf Friedensverhandlungen. Seit März 2005 haben sich alle palästinensischen Parteien auf einen Waffenstillstand geeinigt und seit zwei Jahren wird nicht mehr geschossen. Das ist doch gut.

Aber die Aussage schließt den bewaffneten Widerstand nicht aus. Wäre dass denn nicht eine Gelegenheit gewesen, dem Krieg ein für alle Mal zu entsagen, sich vor den Augen der gesamten Welt für einen friedlichen Unabhängigkeitskampf entscheiden und so Israel diplomatisch in die Defensive drängen?

Ich habe keine Gewehre im Konferenzsaal gesehen und niemanden gehört, der Kriegstreiberei betreibt. Wir wollen eine friedliche Lösung und ich denke, dass das möglich ist. Wir haben nicht vor, einen Krieg zu starten.

Haben Sie sich auf dem Parteitag selbstkritische Gedanken gemacht, warum die Fatah 2006 die Wahlen verloren hat?

Sicher. Wir haben derzeit eine Stimmung, die sich gegen die alte Garde richtet und wir haben nach Fehlern gesucht, die wir in der Vergangenheit gemacht haben: Wir haben unserem Volk Frieden und Prosperität versprochen. Israel hat uns Krieg und Armut gegeben. Aber wir wollen nicht nur Israel die Schuld geben, wir haben auch Fehler gemacht.

Welcher war aus Ihrer Sicht der bedeutendste?

Wir haben die Signale nicht richtig verstanden. Die Menschen wollten einen Wechsel 2006, sie wollten andere Lebensumstände und das konnten wir ihnen nicht bieten nach sechs Jahren Krieg, nach sechs Jahren Intifada. Unsere Wirtschaft war eine Kriegswirtschaft, die Menschen haben unter Armut gelitten, aber sie wollten eine Zukunft mit neuen Führungspersönlichkeiten. Und das konnten wir Ihnen damals nicht bieten.

Hat das nicht auch etwas mit Mahmud Abbas zu tun, den viele als zu zauderhaft kritisieren. Ist er nicht der Richtige in seiner Position?

Absolut nicht. Da gibt es einen Konsens über Mahmud Abbas. Wir haben nicht vor, Israels Außenminister Avigdor Lieberman zu unterstützen, der sagt, es gebe keinen Verhandlungspartner auf palästinensischer Seite. Und wir werden auch nicht die Hamas bestätigen, die behauptet, Abbas sei kein legitimer Präsident. Er ist legitim, er ist ein fähiger Verhandlungspartner, er kann stellvertretend für alle Palästinenser sprechen. Er ist international anerkannt und genießt sehr viel Respekt im In- und Ausland.

Warum haben sie eigentlich auf dem Parteitag die Erforschung der Todesursache von Jassir Arafat wieder auf die Agenda gebracht?

Weil es bislang nicht geklärt wurde und wir halten es für ein Versagen, dass da bislang nichts passierte. Es muss jetzt eine Kommission berufen werden, die die genauen Todesumstände von Arafat klärt. Das ist wichtig für uns.

Glauben sie denn wirklich, dass er von Israel vergiftet wurde?

Es gibt eine allgemeine öffentliche Meinung in Palästina, dass irgendjemand ihm Medikamente gegeben hat, die zu seinem Tod geführt haben. Die Israelis haben lange Zeit sein Hauptquartier belagert, sie haben sein Essen und sein Wasser geliefert. Von daher wäre das möglich gewesen. Aber aus rechtlicher Perspektive gibt es für diesen Vorwurf gegen Israel keinen Beweis. Aber auf palästinensischer Seite gibt es gar keine Zweifel, dass Arafat von Israel nicht nur politisch, sondern auch physisch kalt gestellt wurde.

Und wie wollen Sie künftig mit der Hamas umgehen?

Wir meinen, dass Gaza und die Westbank eine Einheit sind und selbst, wenn die Hamas unrechtmäßig im Gazastreifen an die Macht gekommen ist, bedeutet dass nicht, dass wir keine Gespräche wollen. Wir möchten die Gespräche mit Hamas so schnell wie möglich aufnehmen, trotz Schmerz, trotz Enttäuschungen. Es gibt keinen Weg außer der Einheit. Das muss möglich sein und die internationale Gemeinschaft muss dahingehend Druck auf die Hamas ausüben.

Das Interview führte Ina Rottscheidt

Redaktion: Sarah Mersch