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"Wir können den sechsten Titel holen"

Das Interview führte Gabriel Fortes15. Mai 2005

Gerade hat er noch mit Bayern München den Meistertitel gefeiert, da trainiert er schon für den nächsten Sieg: der Brasilianer Zé Roberto. Im Interview mit DW-WORLD spricht er aber auch über ganz Persönliches.

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Zé Roberto: "Der deutsche Fußball ist Kampffußball"Bild: AP

DW-WORLD: Zé Roberto, feiern Sie immer noch den Bundesligatitel?

Zé Roberto: Das ist schon vorbei. Wir haben direkt nach dem Spiel gegen Kaiserslautern, als die Meisterschaft feststand, gefeiert. Wir haben auch noch am darauf folgenden Tag gefeiert, aber anschließend haben wir uns wieder ernsthaft dem Training gewidmet. Wir konzentrieren uns auf das Finale gegen Schalke im DFB-Pokal. Das Feiern ist vorbei.

Fußball-Bundesliga Bayern München Deutscher Meister 2005
Felix Magath nach dem Sieg gegen KaiserslauternBild: AP

Wie bewerten Sie die Leistung des FC Bayern München in dieser Saison? Der Klub ist vorzeitig Meister geworden, bei der Champions League aber ausgeschieden ...

Meiner Meinung nach hat die Mannschaft eine ausgezeichnete Saison gespielt. Nicht nur in der Bundesliga, sondern auch in der Champions League. Wir sind gegen großartige Teams angetreten, haben gegen Favoriten gespielt und sind erst im Viertelfinale ausgeschieden.

Nach dem Ausscheiden haben wir mehrere Partien ohne Niederlagen hingelegt, haben Schalke überholt und uns den Meistertitel gesichert. Die Bewertung ist positiv, jetzt denken wir daran, einen weiteren Titel zu gewinnen, nämlich den DFB-Pokal. Also: Viertelfinale in der Champions League, vorzeitige Meisterschaft in der Bundesliga und Finale im DFB-Pokal. Das ist doch ausgezeichnet!

Inwieweit kann sich eine solche Mannschaft noch entwickeln? Wie weit kann Bayern München kommen?

Wir sind schon am Ende der Saison. Wir haben nur noch drei Wochen vor uns, daher glaube ich, dass die Entwicklung noch in der kommenden Saison weiter gehen wird. Wenn wir in dieser Saison noch den DFB-Pokal holen, werden wir noch mehr Ansehen genießen, was uns in der kommenden Saison nützlich sein wird. Wir werden über ein neues Stadion verfügen, das ganz anders ist als das jetzige. Es wird eine Arena sein, wir werden viel näher an die Fans heranrücken. Heute spielen wir weit von den Zuschauern entfernt, und sie unterstützen uns trotzdem ganz toll. Wenn wir die Basis der Mannschaft halten können, und bei der Mentalität dieses Trainers, werden wir im kommenden Jahr mit Sicherheit noch weiter kommen.

Was hat sich mit dem Wechsel von Ottmar Hitzfeld zu Felix Magath geändert?

Fußball Bundesliga 2004 Bayer Leverkusen - VfB Stuttgart 2 : 0 letzter Spieltag Stuttgarts Trainer Felix Magath
Bayern Trainer Felix MagathBild: AP

Vieles hat sich geändert. Magath erinnert als Trainer an einen General, er ist ein richtiger Kommandant. Diese Mentalität und diese Art des Führens gingen bei Hitzfeld verloren. Er hatte mit dem Klub schon alles gewonnen, war dort schon seit vielen Jahren und die Mehrzahl der Spieler begegnete ihm nicht mehr mit dem verdienten Respekt. Magath hat das geändert. Durch seine strenge Art ist es ihm gelungen, eine Haltung wieder einzuführen, die uns schon abhanden gekommen war.

Klicken Sie hier, wenn Sie mehr über Zé Robertos Kindheit und seine Zukunftspläne wissen möchten

Ein Sieg auch im DFB-Pokal, was würde er für Bayern München bedeuten? Oder reicht den Fans schon der Titel in der Bundesliga?

Mannschaft von Bayern München
Die Mannschaft des Fußball-Bundesligisten FC Bayern MünchenBild: dpa - Report

Nein, nein. Alle erwarten von uns den doppelten Sieg. Wir wollen wieder die beiden Titel gewinnen und denken an nichts anderes. Und im kommenden Jahr wollen wir uns mehr auf die Champions League konzentrieren – das ist ja ein Titel, den Bayern München schon lange nicht mehr geholt hat.

Und für Sie persönlich wäre das ein weiterer Titel in Deutschland...

Oh ja. Und dieser deutsche Titel bedeutet mir sehr viel. Ich bin jetzt acht Jahre in Deutschland, und der erneute Gewinn des Pokals wäre die Krönung meiner Karriere.

Sie sind einer der brasilianischen Spieler, die am längsten hier spielen. Was können Sie über den deutschen Fußball im Vergleich zu anderem europäischem Fußball sagen?

Der deutsche Fußball ist mehr ein Kraft-, ein Kampffußball. Er ähnelt dem italienischen, ist aber anders als der spanische oder der englische Fußball. Ich selbst habe viel gelernt und bin als Profi gewachsen durch das Spielen in Deutschland. Ich besitze eine gewisse Geschicklichkeit fürs Dribbling und habe gelernt, dies mit dem Einsatz der Kraft zu kombinieren. Früher war ich nur geschickt, jetzt bin ich in der Mann-Deckung stärker geworden. Das macht mich vielseitiger und ist sehr nützlich in der brasilianischen Nationalmannschaft. Ich kann sowohl als Stürmer als auch in der Abwehr eingesetzt werden. Es hängt davon ab, wie viel Freiheit mir der Trainer gewährt, aber ich kann beides erfüllen. Diese Fähigkeit habe ich mir hier angeeignet.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie sich in Deutschland eingelebt haben?

Ich habe mich in Deutschland erstaunlich schnell eingelebt. Nur die Sprache zu lernen war schwierig, die Art zu spielen ist mir schnell vertraut geworden. Innerhalb von sechs Monaten fühlte ich mich zu Hause. Als ich zu Bayer Leverkusen kam, habe ich ein, zwei Spiele auf der Bank gesessen, um zu schauen, wie die Mannschaft spielt, dann fing ich an zu spielen, und es ging voran. Das Sprachverständnis stellte sich dann ganz von alleine ein.

Sie haben vor kurzem Ihr 500. Spiel bestritten. Wie ist Ihre persönliche Bilanz seit der Zeit, als Sie bei dem brasilianischen Klub Portuguesa als Talent aufgefallen sind?

Wenn ich heute Bilanz ziehe, wird mir erst bewusst, worum es sich handelt: um 500 Spiele, fast 10 Jahre brasilianische Nationalmannschaft, wobei ich über 100mal zur Aufstellung gehörte und an mehr als 60 Spielen teilgenommen habe, sieben Jahre in Deutschland, wobei ich in großen Klubs gespielt habe. Ich fühle mich von Gott auserwählt. Nur ein Spieler, der auserwählt ist, kann so weit kommen, wie ich gekommen bin, wenn man die Verhältnisse berücksichtigt, aus denen ich gekommen bin. Wenn ich zurückschaue, kann ich nur sagen: Wenn es Gott nicht gäbe, wäre ich nicht hier. In meiner Kindheit war es schwierig, an Geld zu kommen, um zu den Trainings fahren zu können und zu Hause gab es Streit. Mein Vater wollte, dass ich zur Schule gehe, meine Mutter, dass ich spiele. Bis zu meinem 15., 16. Lebensjahr habe ich als Office-Boy gearbeitet, habe auf der Straße Müllsäcke verkauft. Ich habe sogar als Schlachter gearbeitet. Ich sehe mich als ehemaliger Arbeiter, der jetzt ein Spieler ist. Ich habe sehr viel gelernt. Ich halte mich für privilegiert.

Wenn man das alles berücksichtigt, und dazu noch das internationale Ansehen, das Sie genießen: Denken Sie schon ans Aufhören oder ist es noch zu früh dafür?

Nein, es ist noch zu früh. Mein größtes Ziel ist, an der WM 2006 teilzunehmen, und ich möchte so lange spielen, wie ich mich fit fühle.

Zé Roberto über Rassismus, den Konföderations-Cup und die WM

Hier in Europa entstehen zurzeit mehrere Aktionen gegen den Rassismus. Wie denken Sie über solche Aktionen? Sind Sie seit Sie vor acht Jahren für Real Madrid nach Europa gekommen sind selbst schon mal Opfer rassistischer Übergriffe geworden?

Ich halte solche Aktionen für toll, sehr gut. Wir sind alle Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Rasse, Herkunft. Ich selbst habe nie Schwierigkeiten in dieser Hinsicht gehabt, habe nie etwas erlebt. In diesen acht Jahren bin ich nie beleidigt worden. Aber ich glaube, es sollte eine harte Bestrafung dafür geben seitens der Organisatoren, seitens der FIFA, der höchsten Einrichtung für den Fußball. Auch andere Institutionen sollten intervenieren. Wir sind alle Menschen, und man muss immer Respekt voreinander haben. Es gab rassistische Vorfälle in Brasilien, in England, in Italien, und es muss dafür eine Bestrafung geben, damit sie nicht noch zahlreicher und schwerwiegender werden.

Können Sie sich vorstellen, im kommenden Monat hier in Deutschland bei dem Konföderations-Cup mitzuspielen?


Das weiß ich noch nicht. Es wird aber davon abhängen, welche Gruppe Herr Parreira mitbringt. Sollte ich spielen, würde ich meinen Urlaub einbüßen. Aber ich will spielen, es findet ja in Deutschland statt. Urlaub werde ich nach dem Aufhören genug habe.

Was für eine Bedeutung hat dieses Turnier für die brasilianische Nationalmannschaft?

Soweit ich es aus meinen früheren Teilnahmen beurteilen kann, dient das Turnier dem Trainer als Beobachtung. Brasilien ist bisher immer mit einem gemischten Team aufgetreten, nie mit den Spielern, die auch an der Qualifikation teilnehmen. Ich betrachte es also mehr als eine Probe für die Weltmeisterschaft. Parreira hat eine große Auswahl, Brasilien verfügt über sehr viele gute Spieler, und er wird sie beobachten. Wir kommen, um zu gewinnen, genauso wie die anderen Mannschaften, egal wer da mitmacht.

Und die WM? Sollte es für Brasilien schwierig werden – das Land führt seit langem das FIFA-Ranking an – wo werden die Schwierigkeiten liegen?

Jede Weltmeisterschaft ist schwierig. Es handelt sich um große Mannschaften, und wie man hier hört, wollen die traditionell großen Mannschaften wie Deutschland, Argentinien, auch Frankreich, Holland, Italien, Spanien, alle Weltmeister werden. Sie wollen die Vorherrschaft Brasiliens, des fünffachen Weltmeisters, brechen. Das kann die Sache für uns etwas schwierig machen. Deutschland wird mit voller Kraft auftreten. Wir können den sechsten Titel holen, und das wäre für die anderen Mannschaften nicht gut. Sie werden alles tun, um wieder Weltmeister zu werden.

Zu Beginn dieser Saison hätten Sie fast den Klub gewechselt. Teams aus anderen Ländern, darunter der Türkei, haben Interesse gezeigt. Planen Sie, in Kürze in ein anderes Land zu ziehen?

Nein. Es ging um die Jahresmitte herum mehr um Spekulationen, es hat keinen Kontakt zu anderen Klubs gegeben. Es gab Gerüchte, aber ich habe nicht daran gedacht, den Klub zu wechseln. Auch heute denke ich nicht daran. Mein Vertrag läuft jetzt zur Jahresmitte aus, und sie haben mir bereits eine Verlängerung angeboten. Es gibt aber paar Schwierigkeiten - sie wollen weniger zahlen - aber es gibt schon die Möglichkeit einer Verlängerung.