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"Wir können nicht aufhören zu suchen"

16. April 2010

Zwei Tage nach dem Erdbeben in der westchinesischen Provinz Qinghai mit 790 Toten suchen die Rettungskräfte weiter verzweifelt nach Überlebenden. Noch hunderte Menschen sollen unter den Trümmern begraben sein.

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Eine Gruppe von Helfern im chinesischen Katastrophengebiet (Foto: AP)
Bild: AP

Nach den jüngsten Angaben der Präfektur Yushu vom Freitag (16.04.2010) werden derzeit noch 243 Menschen vermisst. Knapp 11.500 Menschen erlitten Verletzungen, davon rund 1200 besonders schwere. Extrem schlimm betroffen ist die Stadt Jiegu, wo nach Angaben der Behörden bis zu 90 Prozent der Gebäude eingestürzt sind.Tausende Obdachlose mussten eine zweite Nacht bei eisigen Temperaturen im Freien verbringen.

Besuch von Regierungschef Wen Jiabao

Chinas Premier Wen Jiabao im Gespräch mit verletzten Erdbebenopfern (Foto: AP)
Spendete Trost: Chinas Premier Wen JiabaoBild: AP

"Wir haben trotzdem Glück gehabt. Andere haben ihr Leben verloren", sagte eine Obdachlose der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Rund 10.000 Rettungskräfte suchen in den Trümmern der eingestürzten Häuser weiter nach Überlebenden."Wir haben dutzende Menschen ausgegraben, fünf von ihnen lebten noch", sagte der 25-jährige Lama Neume Dorje, der mit anderen Mönchen aus einem Kloster im benachbarten Garze in der Provinz Sichuan gekommen war, um zu helfen. "Wir haben kein Werkzeug, außer unseren Händen." Seine Robe war mit Staub bedeckt. "Wir wechseln uns ab, um Pause zu machen", sagte der Mönch, "wir können nicht aufhören."

Auch Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao erklärte bei einem Besuch in dem weit abgelegenen Erdbebengebiet im Süden der Provinz Qinghai: "Die erste Priorität ist die Rettung von Menschenleben. Wir werden niemals aufgeben, solange auch nur ein bisschen Hoffnung besteht." Für seine Visite bei den Erdbebenopfern hatte der Regierungschef eine Reise nach Brunei, Indonesien und Birma verschoben. Staats- und Parteichef Hu Jintao verkürzte seine Lateinamerikareise und kehrte vorzeitig in die Volkrepublik zurück.

"Wir entlassen die Seelen der Toten"

Tibetische Mönche bergen die Leiche einer Frau in der Stadt Jiegu (Foto: AP)
Tibetische Mönche bergen die Leiche einer Frau in JieguBild: AP

Aus allen Teilen Chinas trafen inzwischen Hilfsgüter wie Zelte, Nahrung, Trinkwasser und warme Decken im Katastrophengebiet an der Grenze zur autonomen Region Tibet ein. Auch Ärzteteams aus anderen Regionen wurden mobilisiert. Es mangelte aber an medizinischem Personal, das den lokalen tibetischen Dialekt sprechen kann. Die kalten Temperaturen, häufige Nachbeben und die unter den eingeflogenen Rettungskräften verbreitete Höhenkrankheit erschweren die Bergungsarbeiten. Das Erdbebengebiet liegt auf 4000 Meter Höhe, wo der Sauerstoff spürbar knapp ist.

Doch gibt es in dieser verzweifelten Lage immer wieder auch Zeichen der Hoffnung, dass das Leben weitergeht. Wie Xinhua berichtete, wurden in den Zelten der Obdachlosen bereits mehrere Babys geboren. Und der Mönch Neume Dorje findet fast noch poetische Worte, um die Gefühlslage der Menschen in aller ihrer Not auszudrücken: "Wir retten die Lebenden und entlassen die Seelen der Toten."

Autor: Stephan Stickelmann (dpa, apn, afp)
Redaktion: Martin Schrader