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"Wir kehren nach Europa zurück"

10. Juni 2003

Mit einem klaren Ja zum EU-Beitritt hat Polen die jahrzehntelang erzwungene Trennung von Europa endgültig überwunden. Bei dem Referendum vom Wochenende stimmten drei Viertel der Wähler für die EU-Mitgliedschaft.

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Die Polen machen den Weg freiBild: ap

Die Angst vor einer Verfehlung der notwendigen Mindestbeteiligung an der Abstimmung stellte sich am Ende als unbegründet heraus. 58,5 Prozent der knapp 30 Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich an dem zweitägigen Referendum. Das teilte die staatliche Wahlkommission am Montagmorgen (9.6.2003) nach Auszählung von rund 95 Prozent der Stimmen mit. Für die Gültigkeit war eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent nötig. 76,8 Prozent der Wähler stimmten dem Beitritt zu, nur 23,1 Prozent lehnten ihn ab.

Kwasniewski jubelt

Der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski erklärte schon kurz nach Schließung der Wahllokale am Sonntag um 20.00 Uhr, Polen habe Ja gesagt zur Europäischen Union. "Wir kehren zurück nach Europa", rief er einer jubelnden Menschenmenge vor dem Präsidentenpalast in Warschau zu.

Zahlreiche Warschauer feierten auf den Straßen und schwenkten die Flaggen Polens und der EU. Im ganzen Land wurden Feuerwerkskörper gezündet, Bands spielten auf.

Schröders Freude

Ministerpräsident Leszek Miller zeigte sich sichtlich erleichtert nach Bekanntgabe der Ergebnisse. "Wir sind Bürger Polens, wir sind Bürger Europas", sagte er. Der frühere Präsident und Gründer der Gewerkschaft Solidarität, Lech Walesa, sagte: "Lasst uns feiern! Wir haben einen Erfolg erzielt."

Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßte den Ausgang des Referendums. "Es stand nie in Frage, dass Polen zu Europa gehört", betonte der Kanzler in einer am Sonntagabend veröffentlichten Erklärung. Schröder zeigte sich überzeugt, dass die "hervorragenden deutsch-polnischen Beziehungen durch den Beitritt Polens zur Europäischen Union eine neue Dynamik" erhalten werden.

Aufruf des Papstes

Nachdem die Volksabstimmung am Samstag mit einer Beteiligung von 18 Prozent nur schleppend begonnen hatte, bemühten sich Politiker, aber auch Priester in den Pfingstmessen, intensiv darum, die Bevölkerung zu mobilisieren. Per SMS erinnerte das Büro für Europäische Integration Handybesitzer daran, dass die Wahllokale um 20.00 Uhr schließen sollten. In der Sonntagsmesse wiesen viele Geistliche auf die Bedeutung des EU-Beitritts hin, den auch Papst Johannes Paul II. seinen Landsleuten empfohlen hatte.

Die Befürworter des Beitritts warben vor allem mit dessen historischer Bedeutung und den wirtschaftlichen Vorteilen einer EU-Mitgliedschaft. Polen, dessen Bruttoinlandsprodukt nur 42 Prozent des EU-Durchschnitts erreicht, wird allein in den kommenden drei Jahren fast 20 Milliarden Euro an Fördermitteln von der Gemeinschaft erhalten. Allerdings muss Warschau im selben Zeitraum auch 6,5 Milliarden Euro an Brüssel überweisen. Den polnischen Bürgern eröffnet die EU-Mitgliedschaft die Möglichkeit, in jedem Land der Europäischen Union zu leben und zu arbeiten. In den meisten Mitgliedstaaten, auch in Deutschland, wird dies freilich erst nach einer Übergangsfrist von sieben Jahren möglich sein.

Weitere Kandidaten

Polen ist mit 38 Millionen Einwohnern der größte der zehn Staaten, die im Mai 2004 in die Europäische Union aufgenommen werden sollen. In fünf Ländern - Malta, Slowenien, Slowakei, Ungarn und Litauen - hat die Bevölkerung dem Beitritt schon zugestimmt. In Tschechien findet das EU-Referendum am 13. und 14. Juni statt, in Estland und Lettland im September. In Zypern entscheidet allein das Parlament. (mas)