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"Wir sind die Brücke nach Israel"

Ruth Rach25. März 2006

In Großbritannien leben nach Schätzungen zwischen 25.000 und 30.000 Palästinenser. Viele von ihnen sind gut integriert. Eindrücke aus London.

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Multikultureller Treffpunkt:<br>Die Brick Lane in East LondonBild: picture-alliance / dpa

Jeden Sonntag fährt Muhammed Fuheid seinen sechsjährigen Sohn quer durch London in die palästinensische Schule. Er lebt seit 15 Jahren in London. Seine Frau stammt aus Venedig. Der Kleine spricht fließend italienisch, während der Woche geht er auf eine britische Schule. Aber er soll seine palästinensischen Wurzeln nicht vergessen.

Fuheid ist stellvertretender Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Großbritannien. Er kümmert sich um die Neuankömmlinge in London. "Wir ermutigen sie, mit anderen Gemeinden zusammenzuarbeiten. Wir sagen, sie sollen zu britischen Arbeitgebern gehen, um richtig Englisch zu lernen, und eine Kultur und Lebensart kennenzulernen, die völlig anders als die ihre. So können sie sich am besten in ihr neues Land integrieren."

Von der Bildung zur Botschaft

Die palästinensische Schule besteht erst seit wenigen Monaten. Sie wird von den Eltern finanziert und von 80 Schülern zwischen 6 und 16 Jahren besucht. Der Andrang ist groß. Im laufenden Jahr werden 200 neue Kinder erwartet, sagt Rajaf Jumlat, der selbst vier Töchter an der Schule hat. Jumlat ist Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Großbritannien. Auch er setzt auf Bildung. "Sie werden sich als Erwachsene auf Colleges und Universitäten bewähren. Vielleicht können sie der Weltöffentlichkeit eine Botschaft geben, zu der ich nicht imstande war, als ich hier ankam."

Er sei ein Fremder gewesen und kannte sich in der britischen Gesellschaft nicht aus. "Ich wusste nicht, wie man hier kommuniziert, wie man mit den Medien umgeht. Die heutigen Kinder sind hier geboren, sie sind Teil dieser Gesellschaft. Sie sollten imstande sein, das Anliegen der Palästinenser klar und deutlich vorzutragen und gehört zu werden."

Gespaltenes Verhältnis zur Hamas

In der Halle proben die Kinder einen palästinensischen Nationaltanz. Folklore wird groß geschrieben in der Diaspora. Natürlich spiele aber auch Politik bei den britischen Exil-Palästinensern eine große Rolle. Viele Eltern stehen zwar der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas näher als der islamistischen Hamas. Aber sie sehen den Ausgang der Wahlen mit dem überwältigenden Wahlsieg der Hamas auch als Sieg der Demokratie. Andere bezeichnen die Hamas als Hoffnungsträger - jedenfalls in Sachen Korruptionsbekämpfung. Viele kritisieren die alte palästinensische Führung in diesem Punkt. So auch der Leiter der palästinensischen Schule in London, Akram. "Es gab viel Korruption. Die Gelder, die der Palästinenserbehörde gegeben wurden, wurden missbraucht. Jetzt müssen wir abwarten."

Ein neues Kabinett ist in den Palästinensergebieten inzwischen gebildet, hat die Amtsgeschäfte aber noch nicht aufgenommen. Die internationale Gemeinschaft blickt mit Misstrauen auf die neue Führung, weil Hamas das Existenzrecht Israels nicht anerkennt und in der Vergangenheit immer wieder für Terroranschläge verantwortlich war.

Die meisten der in London lebenden Palästinenser gehen regelmäßig in ihre Heimat zurück. Die Geschehnisse dort gehen ihnen tief unter die Haut, erzählt Manal, eine junge Frau, die Symphatien für die Hamas erkennen lässt. "Wir haben fünf Familienmitglieder in der Intifada verloren. Es ist schwer damit zu leben. Falls Hamas etwas bewirken kann, wären wir froh. Darauf hoffen wir jedenfalls." Zwar habe sie nicht lange in der Heimat gelebt, sie wurde woanders geboren und habe sich gut in Großbritannien eingelebt, dennoch sei Palästina ihr Land. "Es ist in meinem Blut, eines Tages werde ich zurückkehren."

Fern-Hilfe

Der Vater Fuheid packt seinen Sohn ins Auto. "Wir hatten sechs Stunden Unterricht", quäkt der Kleine voller Stolz. Auf der Rückfahrt erzählt Fuheid, dass seine Mutter vor zwei Jahren in Jerusalem erschossen wurde - von einem radikalen jüdischen Siedler. Der Mann sei nur zu einem Monat Haft verurteilt worden.

Fuheid klingt nicht bitter. Seine Familie lebte seit vielen Generationen friedlich mit ihren jüdischen Nachbarn zusammen, erzählt er. Auch in London organisiert er regelmäßig informelle Zusammenkünfte mit jüdischen Gruppen. "Wir sind die Brücke nach Israel, die Brücke zum Mittleren Osten. Wenn wir diese Brücke richtig und gerecht bauen, und damit meine ich einen fairen Frieden, werden wir nicht nur den Mittleren Osten, sondern die ganze arabische Welt für Israel öffnen."