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Wer die Wahl hat ...

22. Mai 2009

In der Rubrik "Mail aus ..." berichten unsere Reporter über Geschichten und ganz persönliche Beobachtungen aus ihrem Alltag. Diese Woche sucht Bernd Riegert in Köln nach der passenden Partei für die Europawahl.

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Das Logo der bevorstehenden Europawahl (17.03.2009/dpa)
Am 7. Juni 2009 ist Europawahltag in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Neulich in der belebten Fußgängerzone einer deutschen Millionenstadt: Vor einem lieblos dekorierten blau-gelben Container stehen sich drei Wahlhelfer die Füße in den Bauch. Die Menschen hasten mit Einkaufstüten vorbei. Für die Europakandidatin der Liberalen, angeblich eine echte Kölnerin, so steht es auf dem Plakat, interessiert sich niemand. Die ist auch gar nicht persönlich anwesend, sondern nur als Pappschild präsent.

"Aus Liebe zu Deutschland in Europa" - oder so ähnlich

Silvana Koch-Mehrin, Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl, vor dem Wahlplakat ihrer Partei (22.01.2009/Tim Brakemeier dpa/lbn)
Die FDP-Spitzenkandidatin stellt ein "sprechendes Plakat" für den Europawahlkampf vorBild: picture-alliance/ dpa

Mit ihrem müden Europawahlkampf locken die Parteien in Deutschland zurzeit niemanden hinterm Ofen hervor. Saft- und kraftlos geht es zu. Als ob die Parteimanager ahnten, dass es angesichts der vorhergesagten niedrigsten Wahlbeteiligung aller Zeiten sowieso keinen Sinn hat zu werben, haben sie auch keine große Fantasie in Plakate, Spots und Slogans investiert. Bei mir vor dem Haus gammeln einige Plakate an den Straßenlaternen vor sich hin: "Aus Liebe zu Europa", "Wir in Europa", "Deutschland in Europa", "Wums!". Ja, sie lesen richtig "Wums!" – so lautet der Slogan der Grünen. Dazu lächelt ein feister ehemaliger Bundesvorsitzender der Partei, der jetzt in Richtung Straßburg und Brüssel entsorgt werden soll.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla stellt am Mittwoch (15.04.2009) in Berlin den Auftritt der CDU im Wahlkampf 2009 vor (15.04.2009/Rainer Jensen dpa/lbn)
Ronald Pofalla (CDU) ist auch mit in Europa - irgendwieBild: picture-alliance/ dpa

Auch die Linke wirbt mit Politrentnern. Sie will den ehemaligen Vorsitzenden Lothar Bisky im Europaparlament endlagern. Die FDP wirbt mit dem Spruch "Deutschland in Europa". Ja, wo sonst? Und "Stark vor Ort!" - auch sehr aussagekräftig. Bei den Konservativen aus Bayern bettelt der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer im Internet persönlich um Wählerstimmen. Schade nur, dass der CSU-Vorsitzende gar nicht zur Wahl steht.

Sex, Föne und ein Hai für Europa – oder dagegen?

Die Sozialdemokraten haben sich diesmal auf Anti-Werbung verlegt. Sie lassen auf ihren Plakaten einen Fön die Linke wählen und einen Finanzhai die FDP. Nach dem Motto: Föne würden Linke wählen, genauso wie Katzen Whiskas kaufen würden. Der Spruch der SPD ist gut geklaut von der Katzenfutterwerbung aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts.

«Heiße Luft würde die Linke wählen», «Finanzhaie würden FDP wählen» lauten die Werbesprüche der SPD (23.04.2009SPD dpa/lbn
Die Werbesprüche, mit denen die SPD in den Wahlkampf für die Europawahl ziehtBild: picture-alliance/ dpa

Bleiben noch die schrillen Außenseiter, wie die Bibeltreuen Christen oder die ÖDP, wobei das "Ö" nicht für öde Partei steht, sondern für ökologisch. Die einen wollen für Europa beten, die anderen finden alles in Europa irgendwie doof. Das hilft mir bei meiner Wahlentscheidung auch nicht weiter.

Gemäß dem alten PR-Leitspruch 'Sex geht immer' hat die Linke einen Werbespot produziert, in dem ein kopulierendes Paar über Europapolitik räsoniert. Das ist mitten aus dem Leben gegriffen und hat schon dazu geführt, dass einige Sendeanstalten den Spot nur im späten Abendprogramm ausstrahlen - wegen Jugendgefährdung und so. Stöhnen für Europa geht also auch nicht. Stöhnen über Europa vielleicht?

Wums! Wums! Wums!

Screenshots aus dem Europawahl - Spot der Grünen. Eine Frau vor den lebensgroßen Buchastaben W U M S
Wums! geht immer - nur wie?Bild: Die Grünen/Zum goldenen Hirschen

Das Europaparlament selbst hat zur Ankurbelung der Wahlbeteiligung mit dem Mut der Verzweiflung einen Werbespot mit schreiendem Opfer und dazugehörendem Axtmörder gedreht.
Da bleibe ich doch vielleicht lieber beim sinnfreien "Wums" der Grünen. Wums! Wums! Das hat was, Wums! Doch, doch: Wums! Das tut keinem weh, damit kann sich jeder identifizieren, oder? Wums, wums!!! Für die Dame, für den Herrn und das Kind: Wums! Vor oder nach den Mahlzeiten: Wums!

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Mareike Röwekamp