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"Wir sitzen in der Tinte"

13. Juli 2009

Acht Tote in 24 Stunden – für die Briten war der vergangene Freitag einer der blutigsten seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes. Immer mehr fragen sich: Ist es das wert? Denn ein Ende des Sterbens ist nicht in Sicht.

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Kameraden trauern um die jüngsten Opfer des Einsatzes (Foto: AP)
Kameraden trauern um die jüngsten Opfer des EinsatzesBild: AP

Mit trauriger Regelmäßigkeit tröpfeln aus Afghanistan die Nachrichten von getöteten britischen Soldaten ein. Die meisten Briten nahmen davon bisher wenig Notiz. Doch einen so heftigen Schlag wie jetzt hat es selten gegeben: Innerhalb von 24 Stunden kamen acht Briten in Afghanistan um, in zehn Tagen waren es 15 Tote. Entscheidend für die Meisten ist aber eine andere Zahl: In Afghanistan sind nun mehr Soldaten getötet worden als im Irak. 184 Briten starben seit Beginn des Einsatzes - beim sechs Jahre langen Irak-Einsatz waren es 179.

Der seit acht Jahren andauernde Kampf in Afghanistan stand lange Zeit im Schatten des Irak-Krieges. Da die Briten sich dort nun endgültig zurück gezogen haben, richtet sich die Aufmerksamkeit nun auf Afghanistan. Immer mehr Menschen stellen sich die Frage, wie viel Sinn der Einsatz noch macht. Denn ein Ende des Sterbens ist nicht in Sicht – die Briten sind in der gefährlichen Provinz Helmand im Süden des Landes stationiert - und die gilt als Hochburg der Taliban.

Es fehlt an Hubschraubern und moralischer Unterstützung

Immer mehr Politiker und Bürger zweifeln nun daran, dass ihre Soldaten für diesen Kampf gerüstet sind: So kritisierte die Opposition die mangelnde Ausrüstung des Militärs. Oppositionschef David Cameron sagte, es sei "ein Skandal", dass dem Militär nicht genug Mittel zur Verfügung gestellt würden. Zum Beispiel fehlten Hubschrauber.

Soldaten und Anwohner wohnen am Freitag einem Trauerzug bei (Foto: AP)
Aus Afghanistan kamen nun schon mehr Särge heim als aus dem IrakBild: AP

Doch die Kritiker bemängeln nicht nur die dürftige Ausrüstung, es fehle schlicht an ausreichend Truppen, um die Taliban wirksam zu bekämpfen, meint Adam Holloway, Abgeordneter der oppositionellen Konservativen Partei. "Wir haben unsere Soldaten im Stich gelassen. Die Zahl der Todesopfer zeigt, dass wir es entweder richtig oder gar nicht machen sollten." Nach

Holloways Meinung hatte Großbritannien nie die Truppenstärke, um sich in Afghanistan zu behaupten. Momentan sind rund 8000 Soldaten in dem Land stationiert - zu wenig um wie versprochen für Sicherheit und Wiederaufbau zu sorgen, meint Holloway. Das lasse viele Afghanen glauben, dass die Taliban den westlichen Truppen überlegen seien. "Wir sitzen in der Tinte", bilanzierte er.

Ganz ähnlich sieht das die britische Presse. Die Regierung habe den Kampf "an der Heimatfront" verloren, war am Samstag beinahe einstimmig zu lesen. Sie habe verpasst, den Menschen den Einsatz zu erklären und dem Militär die nötige finanzielle Unterstützung zuzusagen. Die Anti-Kriegs-Organisation Stop the War Coalition rief derweil für diesen Montag zu einer Demonstration gegen den "nicht zu gewinnenden Einsatz" auf. Die Briten sollten angesichts der hohen Verluste aus Afghanistan abziehen, hieß es.

"Die Strategie ist richtig"

Premierminister Gordon Brown sieht dennoch keinen Handlungsbedarf. Die Strategie in Afghanistan sei trotz der tragischen Verluste "die richtige". Obwohl die vergangenen Tage "außergewöhnlich schwierig" gewesen seien, glaubten die Befehlshaber an den Erfolg. Nur durch den Einsatz dort könne die Rückkehr der Terrorgruppe El Kaida verhindert werden. Außenminister David Miliband sprang ihm bei und sagte, die Soldaten kämpften "für die Zukunft Großbritanniens". Afghanistan dürfe nicht wieder zur "Brutstätte des Terrorismus" werden, sagte er im BBC-Radio. Der Chef der Streitkräfte, Jock Stirrup, erklärte, der Einsatz schütze die Menschen zu Hause vor Terrorangriffen. Die Taliban würden den Kampf "verlieren".

Doch die großen Worte wirken nicht mehr in der britischen Öffentlichkeit - der Einsatz, der früher stets mehr Unterstützung hatte als der im Irak, ist immer schlechter zu verkaufen. "Die Tatsache, dass wir nun die Opferzahlen im Irak übertreffen, könnte den entscheidenden Wendepunkt in der öffentlichen Meinung bringen", warnte der ehemalige Chef der Liberaldemokraten, Menzies Campbell. "Die Soldaten müssen wissen, dass sie die volle Unterstützung haben. (mag/xxl/dpa/rtr)

Autor: Shi Ming

Redaktion: Nicola Reyk