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Kritik an Geschäften mit China

6. Mai 2011

Der Berliner Künstler Norbert Bisky kritisiert die deutsche Kulturszene: Sie mache auch nach der Festnahme von Ai Weiwei Geschäfte mit China. Gegenüber DW-WORLD.DE fordert er ein klares Bekenntnis zu den Menschenrechten.

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Portrait des Künstlers Norbert Bisky (Foto: DW-TV)
Wen man respektiert, dem sagt man klar die Meinung, meint Norbert Bisky

DW-WORLD.DE: Herr Bisky, Sie vergleichen in Ihrem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Regierung der DDR mit der Chinas. Ist das chinesische Regime überhaupt mit dem Regime der DDR vergleichbar?

Norbert Bisky: In ganz vielen Bereichen sind sie miteinander vergleichbar, weil sie aus einer ähnlichen Idee entstanden sind: Es gibt eine kommunistische Partei und die legt fest, in welche Richtung die Gesellschaft laufen soll.

Sie bezeichnen es als Skandal, tatenlos zuzusehen, wie der chinesische Fortschritt auf Kosten zahlloser Einzelner behindert werde, sei es Ai Weiwei, Liu Xiaobo, oder dutzende von Studenten. Was fordern Sie, was müssen wir tun?

Ich glaube, es ist sehr problematisch, dass ein Land wie Deutschland auf allen Ebenen, sei es kulturell und wirtschaftlich viele Kontakte mit China hat. Nur immer dann, wenn jemand wie Ai Weiwei oder der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo einfach weggesperrt wird, sagt man: "Wir können nicht deutlich darüber reden, wir müssen mit Feingefühl vorgehen." In den letzten Tagen haben mir viele Leute gesagt, in Hintergrundgesprächen passiere sehr viel, aber wir dürften es um Gottes Willen nicht laut aussprechen, denn wir könnten ja die Gefühle der Chinesen verletzen. Außerdem verständen wir deren Mentalität nicht.
Es kommt ein ganzer Strom von Argumenten, die erklären, warum wir nicht ganz klar sagen können: "Wir machen zwar Geschäfte zusammen, wir haben viele Kontakte zueinander- aber wir sagen euch nicht ganz klar, was wir über Menschenrechtsverletzungen denken." Das verstehe ich nicht.

Jeder deutsche Politiker, der China besucht, spricht die dortige Menschenrechtssituation an. Ändern tut sich allerdings nicht viel. Was sollen Politiker tun?

Man kann sich ja sehr genau anhören, was deutsche Politiker sagen, wenn sie vor Ort in China sind. Da wird schon diplomatisch und feinfühlig formuliert. Ich finde das bis zu einem bestimmten Punkt richtig. Aber wenn jetzt ein Künstler weggesperrt wird, betrifft es mich natürlich besonders. Da fühle ich mich angesprochen.

Sollte die Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ abgebrochen werden?

Ich denke schon, dass man zumindest damit drohen könnte. Ich halte die Vorstellung für falsch, dass die chinesische Parteiführung wie ein Betonkomplex da steht und sich nicht rütteln lässt. Ich glaube es gibt unterschiedliche Strömungen innerhalb der Partei. Die lassen sich durchaus beeindrucken von klaren Formulierungen von außen. In den letzten Tagen hat es sehr viele Diskussionen und Kommentare gegeben, nach dem Motto: "Wir wollen hier im Westen nur unser Gewissen beruhigen und am Besten machen wir deshalb einfach gar nichts". Da werden Leute verprügelt, eventuell gefoltert und verschwinden auf jeden Fall für Jahre im Knast. Und noch vor einer Woche hätten wir diese Leute hier in Berlin gerne gefeiert. Warum nehmen wir das einfach so hin? Wir protestieren ein bisschen, aber an entscheidenden Stellen können wir nicht lauter werden? Was ich dazu sage, interessiert die Chinesen natürlich nicht. Aber ich hoffe, dass es Leute gibt, die sich klar machen, was sie da eigentlich gerade tun und dass wir uns vielleicht auch ein bisschen die Finger schmutzig machen.

In der Diskussion um einen Abbruch der Ausstellung verteidigen Personen wie Kulturstaatsminister Neumann oder der Direktor der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck den Kulturaustausch mit China. Wandel käme durch Annäherung, so das Argument. Was sagen sie dazu?

Ich finde das richtig. Aber ich weiß, wie der Ostblock zusammengebrochen ist. Auf der einen Seite gab es viel Annäherung, auf der anderen Seite wurde aber auch sehr deutlich protestiert, gedroht, gehandelt. Auch wenn man jemanden respektiert und gut leiden kann, sagt man ihm klar die Meinung. Wenn man das nicht tut, behandelt man ihn ja wie jemanden, der wirr ist im Kopf. Ich finde es respektlos, nicht klar zu formulieren.

2012 plant China ein Kulturjahr in Deutschland. Ist es richtig, diese Veranstaltungsreihe in Anbetracht der Vorkommnisse in China stattfinden zu lassen?

Was passierte denn, wenn alles so weiter ginge wie bisher? Machen wir doch Kontakte, machen wir Ausstellungen, machen wir Projekte zusammen. Wenn jemand in China den Mund aufmacht, wird er weggesperrt. Und wir sagen dann, da können wir aktuell nichts dran ändern, aber wir gehen davon aus, dass es 2025 besser wird. Wäre das eine Alternative?

Planen Sie konkrete Aktionen, um gegen Menschenrechtsverletzungen in China zu protestieren?

Ich bin Maler, ich bin Künstler. Ich habe genug zu tun mit meinen Ausstellungen, mit meinen eigenen Arbeiten. Ich habe an einer Stelle meine Meinung gesagt. Jetzt hoffe ich, dass sich auch andere zumindest kurz überlegen, was sie da eigentlich gerade tun. Alles andere wäre zynisch.

Das Interview führte: Christoph Ricking

Redaktion: Ana Lehmann