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"Wir wollten den deutschen Kanzler nicht beleidigen, sondern Alarm schlagen"

22. September 2003

– Polnische Presse zu einer geschmacklosen Titelseite der Zeitschrift WPROST

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Bonn, 22.9.2003, WPROST, GAZETA WYBORCZA, poln.

Wprost, 19.9.2003 poln.

Sowohl der Pressesprecher der deutschen Regierung als auch manche Politiker sowie die deutsche Presse sind über die Titelseite der letzten Ausgabe der Zeitschrift Wprost empört. Die Fotomontage mit Erika Steinbach in einer SS-Uniform und dem Kanzler in der Rolle eines Pferdes wird in Deutschland wortwörtlich interpretiert, anstatt zu versuchen, die eigentliche Botschaft zu verstehen.

Wir hatten jedoch keinesfalls die Absicht, den deutschen Kanzler – Gerhard Schröder - zu beleidigen. Wir wollten ihn lediglich darüber aufklären, dass er vom Bund der Vertriebenen unter der Führung von Erika Steinbach wie ein Pferd behandelt wird, das ihre bisher noch verdeckten territorialen und finanziellen Forderungen auf die politische Bühne tragen soll.

In den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts konnte Hitler den Präsidenten Hindenburg für eigene Zwecke missbrauchen. Eine ähnliche Taktik wird jetzt von den Vertriebenen angewandt.

Die Titelseite von Wprost ist ein Versuch, Alarm zu schlagen, ein Versuch, davor zu warnen, die Bedrohung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Den Vertriebenen gelingt es, die Deutschen immer mehr davon zu überzeugen, dass sie sich wegen ihrer Vergangenheit nicht zu schämen brauchen, weil auch die Nachbarstaaten - Tschechien und Polen – vieles auf dem Gewissen haben.

Das Verwischen des Unterschieds zwischen den Opfern und den Henkern verdient eine scharfe Kritik und der Zeitschrift Wprost steht dazu das Recht zu. (...)

Nicht die Zeitschrift Wprost schürt die Spannungen zwischen Warschau und Berlin. Das machen die Deutschen selbst, indem sie die Unverschämtheit des Bundes der Vertriebenen tolerieren. (Sta)

Gazeta Wyborcza, 22.9.2003, poln.

Wir streiten mit Erika Steinbach, der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, über das Zentrum gegen Vertreibungen, in dem das Leiden der Deutschen dokumentiert werden sollte, aber ohne auf die Ursache dafür hinzuweisen, das heißt auf den von den Deutschen angezettelten Krieg. Trotz der zahlreichen inneren Streitereien sprechen wir in Polen über dieses Problem mit einer Stimme. Wir verteidigen - und zwar manchmal sogar sehr scharf - die historische Wahrheit und unsere Rechte.

Alles hat jedoch seine Grenzen. Die Titelseite der letzten Ausgabe der Wochenzeitschrift "Wprost" (...) überschreitet nicht nur die Grenzen der politischen Korrektheit - dies könnte man unter Umständen noch verzeihen -, sondern sie überschreitet auch die Grenzen des guten Geschmacks. Außerdem erinnert sie an die kommunistische Propaganda sowie an die Propaganda des kalten Krieges. Die Vergrößerungen dieser Titelseite, die an Bushaltestellen in Warschau und sicherlich auch in anderen Städten Polens platziert waren, wurden im deutschen Fernsehen gezeigt und riefen Empörung hervor, was nicht verwunderlich ist. Für Erika Steinbach war dies sogar von Vorteil. Weil sie zum Opfer wurde, das man beschützen muss.

Es fällt leicht, die Emotionen zu manipulieren. Es stellt sich jedoch die Frage, ob man das wirklich tun soll? Die polnisch-deutsche Versöhnung gehört zu den größten Errungenschaften der letzten Jahre. Die Spannungen, die vor Kurzem aus verschiedenen Gründen zwischen Polen und Deutschland aufgetreten sind, schaden uns allen. Als Dummheit ist jedoch das Schüren der Spannungen anzusehen, besonders in der geschmacklosen Form, in der die Zeitschrift Wprost dies tat.

Wir sollen zwar unsere Rechte verteidigen, aber wir dürfen nicht übertreiben. Diese Angelegenheit ist viel zu ernst. (Sta)