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Flops in Serie

Die Fragen stellte Jane Paulick (chh)26. Februar 2007

Deutsche Fernsehsender lassen sich bei der Gestaltung neuer Serien von Hollywood inspirieren. DW-WORLD.DE sprach mit dem amerikanischen Drehbuchautor Matt Witten über deutsche Flops und Erfolgsrezepte aus Übersee.

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Szene aus der Pro7-Serie "Verrückt nach Clara"
Keiner ist verrückt nach Clara: Die Pro7-Serie war ein Flop (Archivbild)Bild: Pro7

Die Berlinale und der jüngste deutsche Oscar-Erfolg haben gezeigt, dass sich der deutsche Film sehen lassen kann. Deutsche TV-Serien erweisen sich hingegen nicht gerade als Publikumsmagnete. Neue Serien werden am laufenden Band produziert, doch nicht selten werden sie - wie etwa die Pro-7-Serie "Verrückt nach Clara" - zum Quoten-Desaster. Während die Zuschauer Folgen von "Ally McBeal" und "Sex and the City" lieben, sind sie alles andere als verrückt nach Clara. Nachdem die Sendung zweimal ausgestrahlt wurde, verbannte man die Produktion ins Nachtprogramm. Im Gegensatz zu deutschen Serien-Flops, bescheren amerikanische Folgen von "Desperate Housewives", "Medical Investigation" und "ER" den deutschen TV-Sendern ein Quoten-Feuerwerk. In den Chefetagen kommt man ins Grübeln - und lässt TV-Experten aus Übersee einfliegen.

Die Darsteller der Serie "CSI Miami"
Tatort made in USA: CSI Miami ist auch in Deutschland erfolgreichBild: CBS

Die Medienberatung "MediaXchange" veranstaltete kürzlich zum dritten Mal den "Writer's Room" in Deutschland. Hier treffen sich deutsche und amerikanische Drehbuchautoren, um an TV-Konzepten zu arbeiten, die sowohl national als auch international Zuschauer ansprechen. Eingeladen war auch Matt Witten, Autor und Produzent der Serien "Doc House", "CSI Miami" und "Law & Order".

DW-WORLD.DE: Waren Sie mit dem diesjährigen Treffen zufrieden?

Matt Witten: Ja, es lief sehr gut. Die deutschen Drehbuchautoren sind talentiert und interessant. Wir waren sehr produktiv. Wir haben ein paar tolle Konzepte entwickelt und konnten unseren deutschen Kollegen zeigen, wie US-Produktionen funktionieren.

Haben Sie sich auch deutsche Serien angesehen?

Ja, ich habe mir "Alarm für Cobra 11" und "Lasko" angesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Action-Szenen fantastisch sind. Sie sind wahrscheinlich besser als alles, was ich bislang im amerikanischen Fernsehen gesehen habe. Solche Szenen sieht man sonst nur in Kinofilmen, aber nicht in TV-Serien. In der ersten Folge von "Cobra 11", die ich gesehen habe, gab es einen Unfall mit 400 Autos. Die Produktionsfirma "Action Concept" hat diese unglaublichen Szenen mit einem relativ kleinen Budget umgesetzt und viel weniger ausgegeben, als es bei amerikanischen TV-Serien üblich ist.

Wie erklären Sie sich den Erfolg, den amerikanische TV-Serien haben?

Wir können einfach mehr Geld in eine Produktion stecken. Außerdem machen wir in den USA bereits seit den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts TV-Serien. Da haben die Deutschen noch vieles nachzuholen. Aber die amerikanischen Drehbuchautoren sind nicht besser, als ihre deutschen Kollegen.

Was machen die Produzenten amerikanischer Serien besser?

Amerikanische Serien sind in der Regel temporeich und energiegeladen. Die Art und Weise, wie wir die Handlung und die Beziehungen zwischen den Hauptdarstellern strukturieren, ist für deutsche Drehbuchautoren recht unkonventionell. Wie genau das funktioniert, hat ihnen noch keiner erklärt. Bei der Veranstaltung haben sie viele neue Ideen bekommen. Außerdem waren Sie von dem Autorenkonzept fasziniert, das wir in Amerika haben. Dort gibt es angestellte Autoren, die sich täglich zusammensetzen. Und es gibt einen Hauptautor, den "Show-Runner", der darauf achtet, dass die Gesamthandlung nicht aus den Augen verloren wird.

Und so etwas gibt es in Deutschland nicht?

Szene aus der Serie "Alarm für Cobra 11"
"Alarm für Cobra 11" ist für opulente Action-Szenen bekanntBild: picture-alliance / KPA

In Deutschland wird die Verknüpfung der Autoren noch nicht praktiziert. Stattdessen werden hier die Folgen von freien Mitarbeitern geschrieben, die manchmal nur für ein Jahr an der Produktion mitwirken. Außerdem können amerikanische Regisseure nicht einfach das Drehbuch ändern, ohne vorher die Autoren zu fragen. Es ist durchaus sinnvoll, dass die Autoren die Verantwortung tragen. Während sie zum Beispiel an allen 13 Episoden mitwirken, ist ein Regisseur nicht selten nur mit drei oder vier Folgen betraut.

Können die deutschen Produktionen also nur nicht mit den amerikanischen Serien mithalten, weil die Arbeitsstrukturen in Deutschland schlechter funktionieren?

Das stimmt. Wenn man über eine gute Infrastruktur verfügt, werden auch die Autoren besser, weil sie es sind, die an allen Folgen mitwirken, mit ihren Autorenkollegen zusammenarbeiten, direkten Kontakt zu den Schauspielern und Regisseuren haben und auch mit im Schneideraum sitzen. Das führt automatisch zu besseren Drehbüchern. Auch der Vorsitzende von "Action Concept" will in Zukunft so seine Produktionen strukturieren.

In Deutschland gibt es einige Serien, die als die deutsche Version von "Sex and the City" oder "Law & Order" angepriesen werden. Aber irgendwie kommen sie beim Zuschauer nicht an. Was fehlt diesen Serien?

Als Drehbuchautor glaube ich, dass wenn man mit genug Leidenschaft bei der Sache ist, die Serie auch ein Erfolg werden kann. Aber man braucht auch die nötige Infrastruktur, um diese Leidenschaft in 13 oder 24 Folgen umzusetzen. Da besteht in Deutschland wahrscheinlich noch Nachholbedarf.

Mit TV-Serien flüchten die Zuschauer oft in eine Fantasiewelt und viele Deutsche sind immer noch von den USA fasziniert. Stehen deutsche Drehbuchautoren nicht eigentlich auf verlorenem Posten, weil die deutschen Zuschauer gar kein Interesse an deutschen Produktionen haben?

Die Darstellerinnen der Serie "Sex and the City"
Die Damen aus "Sex and the City" sorgten für gute EinschaltquotenBild: AP

Ich glaube, dass Deutsche sehr positiv auf eine tolle heimische Serie reagieren würden. Das wäre nur folgerichtig. Ich habe mal in Saratoga Springs im US-Bundesstaat New York gewohnt und ich würde mich für jedes Buch interessieren, dessen Geschichte dort spielt. Ich bin Jude, also lese ich gerne jüdische Romane. Sobald eine Geschichte einen persönlichen Bezug hat, interessiere ich mich dafür. Ich habe zwei Kinder und ich lese immer gerne Geschichten über einen Vater und seine Kinder. Also wenn ich Deutscher wäre, würde ich auch gerne deutsche Serien sehen. Ich würde denken "Hey, wir Deutschen können gute Serien auf die Beine stellen." Ich wäre ziemlich stolz.

Viele Serien in den USA werden vom Kabelfernsehsender HBO ausgestrahlt und brauchen keine großen Fangemeinde, um erfolgreich zu sein. In Deutschland müssen TV-Serien eine breite Masse ansprechen. Ist es für Autoren nicht einfacher, ein hohes Niveau zu halten, wenn sie wissen, dass sie nur für eine bestimmte Zielgruppe schreiben müssen?

Ja, aber es kommt auf das Konzept an. Es gibt auch gute Serien, die massentauglich sind. Das muss ja nichts Schlechtes sein. Viele Serien, die ich liebe, laufen auf HBO. Einige von ihnen, wie etwa "The Sopranos" und "Nip Tuck" setzen Maßstäbe, was die Qualität betrifft. Von vergleichbaren Serien könnte auch Deutschland profitieren. Es wäre begrüßenswert, wenn Drehbuchautoren nicht immer das Gefühl haben, für ein 50-Millionen-Publikum schreiben zu müssen.

Besteht nicht die Gefahr, dass Projekte wie "The Writer's Room" zu einem TV-Serien-Einheitsbrei führen?

Die Strukturen und Strategien, die wir den deutschen Drehbuchautoren und Produzenten vorstellen, haben nichts mit dem Inhalt zu tun. Sie führen nur zu besseren Serien. Wenn deutsche Autoren neue Ideen haben, die typisch deutsch sind, dann werden solche Projekte dazu führen, dass sie diese Ideen besser umsetzen können. Wir zwingen ihnen nicht den Inhalt auf.