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Wird die WM zur Meisterschaft der Schläger?

Roman Garthoff3. Juni 2006

Hooligans gelten als eines der größten Sicherheitsrisiken bei der WM - besonders die polnischen. Kenner der Szene behaupten, in Polen sei eine große Szene entstanden, auf die niemand in Deutschland vorbereitet ist.

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Szene nach Spiel in Polen: Mit dem Schlagstock über das FußballfeldBild: AP

"Die Hooligans wollen die Weltmeisterschaft nutzen, um zu zeigen, dass sie genauso gefährlich sind wie ihre englischen, holländischen oder deutschen Kollegen", sagt Jacek Purski von der polnischen Vereinigung "Nigdy Wiecej"- "Niemals wieder", die Rassismus und Neonazismus bekämpft.

"Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen", warnt Berlins GdP-Chef Eberhard Schönberg. "Die Hooligan-Szene sitzt in den Startlöchern", behaupten auch Bayerns Innenminister Günther Beckstein und der Chef des Verfassungsschutzes in Baden Württemberg, Johannes Schmalzl. "Hooligans, darunter viele polnische, wollen die dritte Halbzeit spielen. In die Fußball-Stadien werden sie eher nicht vordringen, sondern Fan-Feste oder Stadtränder suchen", schätzen Berliner Ermittler.

Keine Erfahrung mit Hooligans

300.000 polnische Fans erwarten die WM-Veranstalter in Deutschland. Darunter könnten auch einige Tausend gewaltbereite Schläger sein. Deutsche und polnische Sicherheitskräfte sind besorgt. Gemeinsam wollen sie verstärkt an den Grenzen kontrollieren. Doch besonders viel werden diese Kontrollen vermutlich nicht bringen. Denn in Polen gibt es noch keine umfassende zentrale Datenbank, in der straffällig gewordene Hooligans erfasst sind. Deshalb können sie trotz Passkontrollen weitgehend unerkannt zur WM nach Deutschland einreisen. Während andere europäische Staaten Erfahrungen mit den "Auslandsreisen" ihrer Hooligans haben, steht Polen dabei erst am Anfang. Eine Ermittlungskommission zur Fan-Gewalt gibt es dort erst seit kurzem. Und auch die zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze in Warschau hat bislang nur ein paar hundert Hooligans registriert.

Wer sind die polnischen Hooligans

Hooligan-Experte Gunter A. Pilz
Hooligan-Experte Gunter A. PilzBild: picture-alliance/dpa

Nach Schätzungen der Polizei soll es in Polen bis zu 20.000 gewaltbereite Hooligans geben. Sie gelten als besonders brutal, gehen mit Äxten, Messern und Kettensägen aufeinander los. "Die polnischen Hooligans sind deshalb so gefährlich, weil sie mafiaähnlich organisiert sind," weiß der Soziologe und Fan-Forscher Gunter Pilz von der Universität Hannover. Im Auftrag der Bundesregierung hat er im Vorfeld der WM eine Studie über die Hooligans in Polen gemacht. Viele der Schlägertrupps rekrutierten sich vor allem aus der sozialen Unterschicht. Ein Großteil der Hooligans ist arbeitslos und komme aus der rechtsextremen Szene. "Es gibt immer wieder Tote bei Messerstechereien, die bringen sich da gegenseitig um", berichtet Pilz, aber das seien alles Feindschaften unter den polnischen Fußballclubs.

Wie viele werden kommen?

Horrormeldungen, dass zehntausende polnische Hooligans in Deutschland einfallen, hält Pilz für völlig überzogen. Es sei noch nie passiert, dass sich Hooligans zusammengeschlossen haben, um die Nationalmannschaft zu begleiten. Deshalb, so der Fanforscher, sei es "eher unwahrscheinlich, dass überhaupt jemand von denen nach Deutschland kommt. Und wenn, dann höchstens 100 bis 200."

Andreas Morbach von der Anti-Hooligan-Zentrale der Polizei sieht das anders. "Zahlenmäßig haben wir überhaupt keine Vorstellung, denn gerade Problemfans organisieren ihre Reisen ja nicht langfristig. Die kommen spontan, gerade wenn sie in ein Nachbarland fahren", sagt Morbach. "Wir sind jedenfalls auf alles vorbereitet." Ein paar Daten über Hooligans hat die polnische Polizei in den letzten Monaten gesammelt, und ihren deutschen Kollegen zur Verfügung gestellt. Es werden auch polnische Staatsanwälte und Polizisten während der WM in Deutschland sein. So können Randalierer noch in Deutschland verurteilt und sofort abgeschoben werden. Die Anti-Hooligan-Zentrale setzt aber vor allem auf Prävention. "Es werden sich polnische Polizisten unter die Fans mischen und uns bei der Lageeinschätzung helfen", sagt Morbach. "Die können uns dann sagen, ob das gefährliche oder friedliche Fans sind. So können wir rechtzeitig reagieren."

Heiterkeit statt Hysterie

Fan-Forscher Pilz warnt vor einer übertriebenen Sicherheitsdebatte rund um die WM. "Ich habe ein ungutes Gefühl, weniger wegen der Hooligans, als vielmehr wegen der Äußerungen in Politik und Presse. Es findet eine permanente Hochstilisierung statt", sagt Pilz. Natürlich dürfe man auch nichts verharmlosen, aber die Polizei habe alles im Griff. Man sollte den Deutschen die Chance geben, sich auf die WM zu freuen. "Wir sollten versuchen, den Slogan 'Die Welt zu Gast bei Freunden' mit Leben zu erfüllen" fordert er, "denn auch polnischen Hooligans wird es schwer fallen, anderen eine Faust ins Gesicht zu schmeißen, wenn sie in einer entspannten fröhlichen Atmosphäre sind."