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Wirtschaftsbeziehungen im Aufbau

30. April 2004

Seit 1. Mai ist Estland EU-Mitglied. Das Land hofft, dass sich die wirtschaftlichen Beziehungen zu Europa weiter verstärken. Einer der wichtigsten Ansprechpartner für ausländische Unternehmer ist IHK-Chef Siim Raie.

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Siim Raie, 26 - Handelskammerchef in TallinnBild: DW

So jung, und schon Chef: 26 Jahre alt ist Siim Raie, Generaldirektor der estnischen Handelskammer in Tallinn. Dass er schon so hoch hinausgekommen ist, wundert ihn selber am wenigsten. Denn er ist nicht allein: Überall in Estland findet man junge Leute in Schlüsselpositionen.

"Das ist Teil des Veränderungsprozesses. Es ist einfach so: als Estland plötzlich unabhängig war, wurden so viele neue Positionen geschaffen, so viele neue Organisationen, dass eben auch neue Führungskräfte gebraucht wurden. Aber wir konnten nicht auf eine breite Schicht zurückgreifen, die wir für die Marktwirtschaft brauchten. Also: junge Leute hatten da einfach eine wirklich gute Chance."

In der Ahnengalerie der Handelskammer hängen die Vorgänger von Siim. Es sind nur zwei: Der eine stand der Kammer von 1925-1940 vor, der nächste kam erst 1989 – kurz bevor Estland unabhängig wurde und den Weg zur Marktwirtschaft einschlug. Da wurde auch die Handelskammer wieder neu gegründet.

Mitten in der Altstadt von Tallinn liegt die Handelskammer, ganz in der Nähe von Regierung und Ministerien. Ein Vorteil: viele Kontakte finden so inoffiziell statt. Etwa beim Mittagessen. Schließlich ist Siim Raie auch wichtigster Lobbyist der estnischen Wirtschaft.

In den letzten Jahren hat sich das Land gewaltig entwickelt: Wachstumsraten von zuletzt sechs bis sieben Prozent machen es vor allem für ausländische Investoren interessant. Das Land glänzt zudem mit einem hohen Bildungsstandard und niedrigen Löhnen.

Regelmäßig treffen Unternehmerdelegationen und Kammervertreter aus anderen EU-Ländern ein. Siim Raie ist ihr erster Ansprechpartner, er vermittelt Kontakte zu möglichen Geschäftspartnern in Estland. Schon jetzt gehen 75% aller Waren, die in Estland produziert werden, in die EU. Mit dem Beitritt zur EU, glaubt Raie, werden sich die Wirtschaftsbeziehungen noch weiter vertiefen.

Der wirtschaftliche Aufschwung ist auch der jungen Führungselite zu verdanken, die am Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft beteiligt war: "Es ist aufregend. Nicht nur ich, sondern eine ganze Generation junger Führungskräfte hier im Land haben einzigartige Erfahrungen gemacht, die wir anderen jungen Leuten unseres Alters in Europa voraus haben. Wir waren eingebunden in den Veränderungsprozess, wir haben das Neue mit gestaltet. Und das gibt einem das Gefühl, als sei das alles hier grenzenlos. Und ich glaube, das bringen wir auch mit in die Europäische Union: eine Generation junger Führungskräfte, die weiß, was es heißt zu gestalten, die Dinge anpackt."

Siim Raie war dreizehn, als Estland von der Sowjetunion unabhängig wurde. Damals machte sich sein Land auf den Weg nach Europa, politisch, wirtschaftlich, kulturell. Heute steht für Siim Raie seine europäische Identität außer Frage: "Als ich einmal in den USA war, haben mich die Leute immer gefragt, woher ich sei. Und dann habe ich gesagt: Estland, nahe bei Finnland, die Ostsee... aber keiner hat das wirklich kapiert. Aber wenn ich dann gesagt habe: das liegt in Europa, dann war alles klar. Und das stimmt. Ich bin Europäer, ganz sicher..."